Asyl-Aufnahmepflicht: derzeit Übererfüllung in 40 Gemeinden

Asyl-Aufnahmepflicht: derzeit Übererfüllung in 40 Gemeinden
Mitmotionär Titus Meier (FDP). Foto: Michael Küng

In einer Motion verlangen Reto Wettstein, FDP, Brugg (Sprecher), Titus Meier, FDP, Brugg, Miro Barp, SVP, Brugg, Jürg Baur, Mitte, Brugg, Markus Lang, GLP, Brugg, die Anrechnung der Übererfüllung der kommunalen Asyl-Aufnahmepflicht auf Folgejahre.

Nun liegt die - ablehnende - Antwort der Regierung vor. Ziel der vorliegenden Motion sei es, den Gemeinden zu ermöglichen, Plätze bei Übererfüllung der Aufnahmepflicht in den Folgejahren an die Aufnahmepflicht anrechnen lassen zu können und somit stark belastete Gemeinden zu entlasten, schreibt die Regierung. Die Gemeinden sind in der Regel zuständig für die Unterbringung, Unterstützung und Betreuung von vorläufig aufgenommenen Ausländerinnen und Ausländern sowie schutzbedürftigen Personen.

Die Gemeinden sind nach Massgabe ihrer schweizerischen Wohnbevölkerung verpflichtet, die in ihre Zuständigkeit fallenden Personen aus dem Asylbereich in ihrem Gemeindegebiet aufzunehmen. In Ausnahmefällen, insbesondere zur Unterbringung von Familien oder auf ausdrücklichen Wunsch der Gemeinde, können Zuweisungen auch über der Aufnahmequote erfolgen. Die Gemeinde ist vorgängig anzuhören.

Im Kanton Aargau gibt es derzeit über 40 Gemeinden (ohne Berücksichtigung von Gemeinden mit kantonalen Unterkünften), die ihre Aufnahmepflicht übererfüllen (Stand: 1. Juni 2025). In einigen Fällen kann eine solche Übererfüllung Jahre dauern. Ein geeignetes Buchführungssystem zur präzisen Erfassung und Verwaltung dieser Übererfüllungen einzuführen, stelle eine grosse administrative Herausforderung dar, die mit einem enormen personellen und materiellen Aufwand aber möglich wäre, gibt die Regierung zu bedenken.

Gemeinden, die die Aufnahmepflicht übererfüllen, können Gemeindeverbunde eingehen und ihre kommunalen Plätze innerhalb ihres Gemeindeverbunds an eine andere Gemeinde weitergeben. Die Entschädigung regeln die betroffenen Gemeinden unter sich, heisst es dazu weiter. Damit haben die Gemeinden die Möglichkeit, einen Nutzen für sich zu erzielen.

Aus Sicht des Regierungsrats gibt die vorliegende Motion zu folgenden Überlegungen Anlass:

1. Unterbringung und Betreuung als Verbundaufgabe von Kantonen und Gemeinden Die Unterbringung und Betreuung stellt im Kanton Aargau eine Verbundaufgabe dar, wobei mit der Aufnahmepflicht eine gleichmässige Verteilung von Personen aus dem Asylbereich auf die Gemeinden sichergestellt werden soll. Die Übererfüllung bleibt von Gesetzes wegen die Ausnahme. Das Schaffen von Anreizen durch Übererfüllung würde dem widersprechen. Die zentrale Problematik liege in der Planungsunsicherheit, die aus der Anrechnung von Plätzen bei Übererfüllung der Aufnahmepflicht in den Folgejahren resultiert. Plätze, die den Gemeinden durch eine Übererfüllung angerechnet würden, erschweren die mittel- und langfristige Planung sowohl für den Kanton als auch die Gemeinden erheblich.

Durch den zusätzlichen Faktor der Anrechnung von Übererfüllungen erhöhe sich die Unstetigkeit der Aufnahmepflicht zusätzlich. Dadurch wird kaum mehr vorherseh- oder berechenbar sein, wie viele Personen den Gemeinden künftig zugewiesen werden können und wie viele Plätze der Kantonale Sozialdienst (KSD) des Departements Gesundheit und Soziales in den eigenen oder Gemeinden in ihren Asylstrukturen bereithalten müssten.

Erfahrungen des KSD zeigen zudem laut Regierungsantwort, dass die Nachvollziehbarkeit der Berechnung eine wichtige Anforderung der Gemeinden ist. Die zusätzliche Komplexität des Berechnungssystems würde die Nachvollziehbarkeit massiv einschränken.

Personen in Gemeindeverantwortung würden in kantonalen Asylunterkünften bleiben

  1. Ein weiteres Thema, das aus anzurechnenden Plätzen bei Übererfüllungen aus der Vergangenheit aufkommen würde, ist, dass Personen, die eigentlich in die Verantwortung der Gemeinden fallen würden, weiterhin in kantonalen Unterkünften verbleiben würden. Denn das derzeitige Berechnungssystem würde durch die Vielzahl sogenannter "Bonusplätze" an seine Anwendungsgrenzen stossen. Das heisst, die ganze Berechnung der Aufnahmepflicht müsste einen Paradigmenwechsel erfahren, um weiterhin genügend Personen von der kantonalen Zuständigkeit in die Gemeindezuständigkeit zu geben.

Regierung: Anrechnung der übererfüllten Plätze in der Zukunft könnte zu einem negativen Ketteneffekt führen

Eine Anrechnung der übererfüllten Plätze in der Zukunft könnte wiederum zu einem negativen Ketteneffekt führen, weil der Kanton mehr kantonale Unterkünfte benötigen würde, die zwangsläufig auf Gemeindeboden stünden. Konsequenzen der Umsetzung, insbesondere Auswirkungen auf die Aufgaben- und Finanzplanung Die Umsetzung der Motion hätte erhebliche Auswirkungen auf die strategische Aufgabenplanung sowie die finanzielle Steuerung des Asylbereichs im Kanton Aargau. Die Möglichkeit, Übererfüllungen auf Folgejahre anrechnen zu lassen, würde zu einer erhöhten Volatilität in der kantonalen Zuweisungspraxis führen.

Der Kanton müsste jederzeit mit einem stark schwankenden Bedarf an Unterbringungsplätzen in Gemeinden und eigenen Strukturen rechnen, was die Vorausschaubarkeit und die Kapazitätsplanung erschweren würde. Zudem würde sich das Planungsrisiko auf den Kanton akzentuieren, da unklar wäre, ob und wann Gemeinden ihre Quote effektiv erfüllen müssten. In einem angespannten Umfeld würde dies zu Mehrbedarf an kantonalen Plätzen führen – mit entsprechenden Folgekosten für Unterbringung, Betreuung und Logistik.

Der Kanton Aargau befindet sich im Asylbereich seit dem 11. Januar 2023 in einer Notlage gemäss § 2 des Gesetzes über den Bevölkerungsschutz und den Zivilschutz im Kanton Aargau (Bevölkerungsschutz- und Zivilschutzgesetz Aargau, BZG-AG). Diese betrifft insbesondere die knappen Kapazitäten in den Bereichen Unterbringung, Betreuung, Schule und Sicherheit. Die Einführung eines Anrechnungsmodells auf Folgejahre würde überdies eine systemische Neugestaltung der Zuweisungslogik bedingen. Dies wäre mit administrativem Mehraufwand, zusätzlichen Kontrollmechanismen und höherem Personalbedarf verbunden.

"...führt zu finanziellen Ungleichgewichten"

Schliesslich würden Anreize geschaffen, so die Regierung weiter, "dass Gemeinden die Aufnahmepflicht in einem Jahr gezielt übererfüllen, um in Folgejahren entlastet zu sein". Dies widerspreche dem Solidaritätsprinzip des bestehenden Verteilsystems und führt zu finanziellen Ungleichgewichten zwischen den Gemeinden. Vorgesehene Art der Umsetzung und geltende Frist Die Umsetzung des vorliegenden Vorstosses würde die Vorlage einer Gesetzesänderung sowie eine Anpassung der SPV bedingen, mit folgender Begründung: Das geltende SPG enthält keine Grundlage für die Möglichkeit, eine Übererfüllung der kommunalen Aufnahmepflicht in einem Jahr gezielt übererfüllen, um in Folgejahren entlastet zu sein. Dies widerspricht dem Solidaritätsprinzip des bestehenden Verteilsystems Aufnahmepflicht auf nachfolgende Jahre anzurechnen.

Für die Umsetzung eines solchen Modells wäre daher eine gesetzliche Grundlage erforderlich, heisst es weiter. Ergänzend dazu wären Anpassungen in der SPV notwendig, um die praktische Umsetzung zu regeln. Aufgrund der notwendigen Gesetzesänderung ist von einer dreijährigen Frist auszugehen, schreibt die Regierung abschliessend.