Wie träfe Trumps Zollhammer den Aargau? - Aargauer US-Exporte betragen 4 Milliarden Franken jährlich

In einer im April eingereichten Interpellation wollten Annetta Schuppisser, GLP, Bremgarten (Sprecherin) und Matthias Betsche, GLP, Möriken-Wildegg vom Regierungsrat wissen, welche Auswirkungen der angedrohte US-amerikanische Zollhammer auf den Aargau sowie auf dessen Wirtschaft, Industrie und internationale Zusammenarbeit habe.
Die Ankündigung von hohen US-Zöllen auf Importe aus der Schweiz hat drei ähnlich lautende Interpellationen ausgelöst. Entsprechend sind die Vorbemerkungen zur vorliegenden Interpellation sowie die Antworten auf verschiedene Fragen weitgehend deckungsgleich mit diesen Interpellationen, wie der Regierungsrat dieser Tage antwortete.
Die Aargauer Wirtschaft sei gut diversifiziert, was sie in Krisenzeiten tendenziell robuster mache, schreibt der Regierungsrat. Sie hat aber auch einen starken industriellen Sektor mit hohem Exportanteil. Diese exportorientierten Unternehmen – vom kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) bis zum Weltkonzern – sind den grossen handelspolitischen Unsicherheiten und neuen (Tarif-)Hürden im Welthandel stark ausgesetzt.
Stimmung erstaunlich robust - ausser bei Firmen mit US-Geschäft
Die Betroffenheit sei gleichzeitig sehr individuell und nicht zuletzt abhängig vom Anteil Exporte mit Zielland USA. Der Regierungsrat steht sowohl im Austausch mit direkt betroffenen Unternehmen und Verbänden wie auch mit den für die Aussenwirtschaftspolitik zuständigen Behörden des Bundes, wie er schreibt. Die Stimmung sei erstaunlich robust. Unternehmen mit US-Geschäft äussern allerdings deutlich negativere Erwartungen. Insgesamt werden sehr grosse Unsicherheiten festgestellt und beklagt. Etwa in der KMU-Einkaufsmanager-Umfrage der Raiffeisen (Publikation: Mai 2025).
Der Regierungsrat teilt die Sorgen und die Einschätzung, dass die handelspolitischen Entwicklungen der letzten Monate besonders für kleine, offene Volkswirtschaften wie die Schweiz ein Rückschlag sind und sich negativ auf den Wohlstand weltweit auswirken können. Gleichzeitig ist zu bedenken, dass die wirtschaftliche Entwicklung über einen längeren Zeitraum immer wechselhaft ist. Dies verdeutliche ein Blick auf die krisenhaften Perioden der letzten 20 Jahre mit erheblichen wirtschaftlichen Verwerfungen:
• Wechselkursschock und Euro-Franken-Parität
• Globale Finanzkrise
• Covid-19-Pandemie
• Russischer Angriff auf die Ukraine, geopolitische Verwerfungen und Energiemangellage
• Erratische US-Wirtschaftspolitik (Zölle, Rückbau Freihandel).
"Aargau kann überdurchschnittlich betroffen sein"
"Wie beurteilt der Regierungsrat die direkten und indirekten Auswirkungen der jüngsten US-Zollmassnahmen auf die Aargauer Wirtschaft und Industrie?", fragten Schuppisser und Betsche. Als innovativer und international stark vernetzter Wirtschaftsstandort mit zahlreichen Industrie- und Technologieunternehmen kann der Kanton Aargau von Schwierigkeiten im globalen Handel überdurchschnittlich betroffen sein, schreibt der Regierungsrat.
Für das einzelne Unternehmen sei dabei der Exportanteil in die USA relevant. Die EU sei zwar immer noch der klar wichtigste Handelspartner des Kantons Aargau. Bei einer Länderbetrachtung hat die USA aber Deutschland als grösstes Zielland überholt. Bei Gesamtexporten aus dem Kanton Aargau von 17,5 Milliarden Franken im Jahr 2024 entfallen gut 4 Milliarden Franken auf die USA.
Vorab Pharmaprodukte für die USA
Für diese Entwicklung sind primär Pharmaprodukte verantwortlich, die den überwiegenden Teil der Exporte in die USA ausmachen (Wertanteil). Für die wertmässig gut doppelt so grossen Exporte in die EU sind Pharmaprodukte ebenfalls wichtig, der MEM-Bereich (Maschinen, Elektro, Metall) fällt aber noch mehr ins Gewicht, und insgesamt sind die Exporte stark diversifiziert.
Exporte in die USA ausmachen (Wertanteil). Für die wertmässig gut doppelt so grossen Exporte in die EU sind Pharmaprodukte ebenfalls wichtig, der MEM-Bereich (Maschinen, Elektro, Metall) fällt aber noch mehr ins Gewicht, und insgesamt sind die Exporte stark diversifiziert.
Frage : "Welche Branchen oder Unternehmen im Kanton sind besonders betroffen oder exponiert gegenüber derartigen Massnahmen?"
Antwort der Regierung: Die direkte Betroffenheit aufgrund des US-Geschäfts dürfte bei einigen Unternehmen gross und bei vielen gering bis inexistent sein. Stark betroffen ist die Pharmabranche, da aus dem Kanton Aargau überwiegend Pharmaprodukte in die USA exportiert werden. Wie stark die Pharmabranche von der neuen US-Wirtschaftspolitik betroffen sein könnte, ist zum jetzigen Zeitpunkt unklar. Medikamente sind bisher von Zöllen befreit, und die grossen Pharmaunternehmen sind mit Forschung und Fabrikation bereits stark in den USA präsent. Umgekehrt gibt es mit möglichen neuen Zöllen und der Senkung der sehr hohen Medikamentenpreise in den USA ein doppeltes Risiko.
Expertinnen und Experten gehen laut Regierungsrat davon aus, dass die hohen Wachstumsraten der letzten Jahre nicht zu halten sind, aber auch nicht mit einem Einbruch zu rechnen ist. Aus Sicht des Regierungsrats ist diese Einschätzung plausibel.
Frage: "Liegen dem Regierungsrat Hinweise oder Rückmeldungen aus der Wirtschaft vor, wonach es aufgrund der US-Zölle zu Umsatzeinbussen, Investitionsrückgängen, Produktionsverlagerungen oder gar Arbeitsplatzabbau kommt?"
Antwort: Die Unsicherheiten könnten Unternehmen zu einer zurückhaltenderen Geschäftsstrategie veranlassen, was sich auf die Anstellung von Personal oder Investitionen auswirken kann. Dem Regierungsrat sind dazu jedoch keine Zahlen oder konkreten Schritte bekannt. Die Unsicherheiten beschäftigen auch die Unternehmen. Allerdings lässt sich weder bei den Unternehmen noch bei den Konsumentinnen und Konsumenten ein krisenhafter Stimmungseinbruch feststellen.
Wieder negativer SNB-Saldo aufgrund des starken Wertverlusts des Dollars?
Frage: "Welche Auswirkungen können aus Sicht des Regierungsrats die Zölle, bzw. die mit den US-Zöllen verbundenen Unsicherheiten auf die Aufgaben- und Finanzplanung bzw. auf die (kurz.- bzw. langfristige) Finanzsituation des Kantons Aargau haben?"
Antwort: Allfällige US-Zölle können sich indirekt auf den Aufgaben- und Finanzplan (AFP) 2026–2029 auswirken. So könnte sich eine Wirtschaftsabschwächung bis hin zu einer Rezession negativ auf die Steuererträge auswirken. Belastbare Einschätzungen dazu sind zum aktuellen Zeitpunkt allerdings nicht möglich. Der Regierungsrat wird, wie schon letztes Jahr eine Aktualisierung der Steuerprognose vornehmen, unter Berücksichtigung der dann verfügbaren Konjunkturprognosen. Neben den Steuererträgen können die Beteiligungserträge von den Auswirkungen der Einführung von US-Zöllen betroffen sein.
Aktuell muss zum Beispiel davon ausgegangen werden, dass aufgrund des starken Wertverlusts des Dollars die Ausschüttungsreserve der Schweizerischen Nationalbank (SNB) wieder einen negativen Saldo aufweist und damit keine Ausschüttung an den Bund und die Kantone möglich wäre. Volatilität und Unsicherheit an den Kapitalmärkten sind gegenwärtig jedoch sehr hoch. So haben sich die Börsen- und Devisenkurse bereits wieder ein wenig erholt. Aus diesem Grund kann aus heutiger Sicht keine verlässliche Prognose formuliert werden.
Wie schon letztes Jahr wird der Regierungsrat den Grossen Rat für die Beschlussfassung zum AFP 2026–2029 mit einem Fact Sheet über das Ergebnis des dritten Quartals der SNB orientieren, damit der Grosse Rat je nach aktueller Lage auf der Grundlage des Fact Sheets die Budgetierung der SNB-Ausschüttung bestätigen oder ändern kann. Eine indirekte Auswirkung auf die Jahresergebnisse und damit auf die Gewinnausschüttung ist bei der Aargauischen Kantonalbank (AKB) zu erwarten. Vor allem Entwicklungen im Zinsumfeld und allenfalls auch ein genereller Wirtschaftsabschwung könnten sich negativ auf die Erträge der AKB auswirken.
Frage: "Falls in Folge der US-Zollpolitik betroffene Unternehmen in Schwierigkeiten geraten, ist der Regierungsrat bereit, sich dafür einzusetzen, dass mit den relevanten Branchenverbänden zweckmässige unterstützende Massnahmen ausgearbeitet werden?"
Regierung beurteilt Krisenprogramme kritisch
Antwort: Der Regierungsrat verfolgt eine Wirtschaftspolitik, die den Standort Aargau unabhängig von einzelnen Branchen oder Konjunkturzyklen stärkt (vgl. Vorbemerkungen). Als branchenunabhängige stabilisierende Instrumente für akut betroffene Unternehmen und Erwerbstätige hätten sich insbesondere die Arbeitslosenversicherung und die Kurzarbeitsentschädigung bewährt. Krisenprogramme wie Subventionen für einzelne Branchen beurteilt der Regierungsrat kritisch, da die Wirkung oft schlecht sei, die Umsetzung schwierig und die Mitnahmeeffekte hoch seien. Ganz auszuschliessen seien solche Massnahmen in wirklich ausserordentlichen Situationen zwar nicht (vgl. etwa Covid-Härtefallmassnahmen für Unternehmen in den Jahren 2020–2022). Aktuell hält der Regierungsrat solche Massnahmen aber weder für angezeigt, noch sind ihm entsprechende Forderungen bekannt.