Viele träumen von Wohneigentum, doch der Anteil der Eigentümer im Aargau sinkt

Es ist der grosse Wunsch vieler, eigene vier Wände zu besitzen. In Zeiten historisch tiefer Hypothekarzinsen kletterte der Eigentümeranteil im Aargau auf knapp über 50 Prozent. Doch jetzt ist er wieder im Sinkflug. Warum?

Die Schweiz ist ein Land der Mieter. Das ist eine Binsenwahrheit. Während in vielen europäischen Ländern die Eigentümer in der Mehrheit sind, leben in der Schweiz laut den aktuellsten verfügbaren Daten aus dem Jahr 2020 aktuell 63,8 Prozent der Menschen zur Miete. Umgekehrt sind also 36,2 Prozent Eigentümerinnen und Eigentümer. Das ist im europäischen Vergleich wenig, doch haben die Eigentümer hierzulande in den letzten Jahrzehnten deutlich zugelegt. 1990 etwa machten sie erst 31,3 Prozent aus.

Warum sinkt im Aargau der Anteil der Wohneigentümer?
Es ist der grosse Wunsch vieler, eigene vier Wände zu besitzen. In Zeiten historisch tiefer Hypothekarzinsen kletterte der Eigentümeranteil im Aargau auf knapp über 50 Prozent. Doch jetzt ist er wieder im Sinkflug. Warum?

💡 Dieser Artikel ist erstmals am 05.10.2022 in der Aargauer Zeitung erschienen.

Eigentümeranteil erreichte im Aargau im Jahr 2015 den Höhepunkt

Am höchsten ist der Anteil der Mieterinnen und Mieter nachvollziehbarerweise in städtisch geprägten Kantonen wie Basel-Stadt, Genf oder Zürich. Über 50 Prozent Eigentümer leben hingegen traditionellerweise in den Kantonen Appenzell Innerrhoden und Wallis. Auch der Aargau hat eine überdurchschnittliche Eigentümerquote. Im Jahr 2010 waren 49,3 Prozent Eigentümer. Damals versuchten besonders viele, angesichts einmalig tiefer Hypothekarzinsen Eigentum zu erwerben. Das gelang auch. Fünf Jahre später waren sie mit 50,5 Prozent gegenüber den Mieterinnen und Mietern erstmals leicht in der Mehrheit.

Doch seither sinkt der Anteil erstaunlicherweise wieder (übrigens sinkt er auch gesamtschweizerisch leicht), obwohl die Hypothekarkonditionen bis vor wenigen Monaten hervorragend waren. Gemäss den jüngsten Daten von 2020 beträgt der Anteil der Eigentümer im Aargau aber nur noch 46,6 Prozent. Das ist weniger als zehn Jahre davor. Wie ist das zu erklären?

HEV-Präsidentin: Verschärfte Tragbarkeitskriterien, massiv steigende Preise

Für Jeanine Glarner, Präsidentin des Hauseigentümerverbandes (HEV) Aargau, «ist nicht entscheidend, ob Mieter oder Eigentümer in der Mehrheit sind». Den sinkenden Eigentümertrend erklärt sie sich mit der «seit Jahren anhaltenden hohen Bautätigkeit im Aargau und dem womöglich deutlich grösseren Zubau von Mietwohnungen gegenüber Wohneigentum». Zudem seien weniger Häuser zum Kauf ausgeschrieben als nachgefragt werden. Komme dazu, so Glarner, «dass aufgrund der massiven Preissteigerung der letzten 20 Jahre die Hürde für den Erwerb von Wohneigentum gerade für junge Familien immer höher geworden ist».

Dazu hätten die Banken die Tragbarkeitskriterien verschärft, heute wird ein höherer Anteil an Eigenmitteln verlangt. Insgesamt würden gerade jungen Familien immer mehr Steine in den Weg gelegt, gerade seitens der Politik, ist Glarner überzeugt. Sie bedauert diese Entwicklung sehr.

Aber wo legt die Politik jungen Familien Steine in den Weg, die Politik will doch Eigentum fördern? Per Verfassung müsste sie dies, es gebe aber immer mehr Bürokratie und Vorschriften, auch die energetischen Anforderungen an ein Haus stiegen ständig und die Politik verschärfe sie laufend weiter, gibt die HEV-Präsidentin zu bedenken. Aufgrund der geplanten Neueinschätzungen sowie eines Gerichtsurteils kämen zudem mit einem höheren Eigenmietwert bald weitere Mehrkosten auf Eigentümerinnen und Eigentümer zu.

Was würde sie denn tun, um den Erwerb von Wohneigentum zu erleichtern? Die strikten Tragbarkeitskriterien machen doch Sinn? Letzteres sei gewiss so, räumt Glarner ein, aber: «Die staatliche Regulierungswut muss reduziert werden, diese führt nur zu höheren Wohnkosten für alle.» Die FDP-Grossrätin ist deshalb froh, dass die Regierung bereit ist, zwei Postulate von ihr entgegenzunehmen. In einem fordert sie (zusammen mit ihrer Fraktion) einen Abbau der Baubürokratie.

Im zweiten verweist sie darauf, dass die Installation einer Fotovoltaikanlage heute im Meldeverfahren erfolgen kann, eine Baubewilligung meist nicht mehr nötig ist. Jetzt will sie zusätzlich mit Blick auf die Neuauflage des kantonalen Energiegesetzes in Übereinstimmung mit Bundesrecht prüfen lassen, «ob und unter welchen Voraussetzungen auch für andere Bauvorhaben ein Meldeverfahren eingeführt werden kann etwa für Fotovoltaikanlagen an Fassaden, Speicherung oder Heizungsersatz».

«Wenn man will, dass eine Vorlage scheitert, muss man so machen wie die Kommission»

Was verspricht sie sich von den Bemühungen, den Eigenmietwert abzuschaffen? Sie ist klar für dessen Abschaffung. Sie findet es schade, dass sich der Nationalrat nicht durchringen konnte, in der Herbstsession einen Abschaffungsvorschlag zu beschliessen. Glarner: «Er hätte den Vorschlag der Kommission korrigieren müssen. Wenn der Eigenmietwert abgeschafft wird, muss man auch den Schuldzinsabzug abschaffen.»

Über andere Abzüge und deren Ausmass sei zu reden. «Doch das Fuder der vorberatenden Kommission war völlig überladen. Wenn man will, dass eine Vorlage spätestens an der Urne scheitert, muss man es genauso machen wie die Kommission», kritisiert sie. Eine Rückweisung wäre nicht notwendig gewesen, findet sie, «aber daraus muss jetzt eine mehrheitsfähige Vorlage entstehen».