Was tun, wenn eine Firma wegen mangelnden Erweiterungsmöglichkeiten aus dem Aargau wegzieht?

In einer Interpellation stellten die Grossräte Andy Steinacher, SVP, Schupfart (Sprecher) und Daniel Urech, SVP, Sins, dem Regierungsrat im Oktober 2024 kritische Fragen zum Wegzug von Gewerbe und Verlust von Arbeitsplätzen infolge fehlender Gewerbeflächen.

Sie begründeten dies so: Am 18. September 2024 habe man der Aargauer Zeitung1 entnehmen können, dass die Kanal-Engel AG mit Sitz in Abtwil wegen fehlenden Erweiterungsmöglichkeiten vom Freiamt in den benachbarten Kanton Luzern zieht. Die Firma beschäftigt 30 Mitarbeitende. Trotz intensiver Suche fand das Unternehmen kein passendes Grundstück für den Firmenausbau im Freiamt.

Gleich neben seinem Betrieb hätte es in Abtwil noch ein Stück Land gehabt, auf dem der Geschäftsführer gerne einen Erweiterungsbau erstellt hätte. Dies war jedoch nicht möglich, weil das Meliorationsverfahren des Gebiets noch nicht abgeschlossen sei und die Gemeinde Abtwil über kein Gewerbeland verfüge. Schliesslich habe das prosperierende Unternehmen nach langer vergeblicher Suche im Kanton Aargau einen neuen Standort in Hochdorf LU gefunden.

Dort könne es sich zukunftsorientiert neu einrichten und damit erst noch spürbar bessere Arbeitsabläufe schaffen. Der Gemeinde Abtwil und dem Kanton Aargau entgehen durch den Wegzug Steuereinnahmen. Zudem ist die Steuerlast für juristische Personen im Kanton Luzern wesentlich attraktiver. Mit dem Wegzug der Firma gehen auch die Arbeitsplätze im oberen Freiamt verloren.

Weiteres Beispiel aus Schupfart

Als weiteres Beispiel könne die Gemeinde Schupfart aufgeführt werden, in der seit über dreissig Jahren eine Zaunbaufirma mit mehreren Angestellten beheimatet ist. Dieses KMU suche seit Jahren einen neuen Standort im Dorf. Leider sind in Schupfart keine unbebauten Gewerbeflächen mehr vorhanden. Bei der laufenden Revision der BNO verweigere der Kanton der Gemeinde eine Neueinzonung. Umgekehrt bestünden im nahen Sisslerfeld weitläufige Industriezonen im Kantonseigentum, die aber explizit nicht für das Kleingewerbe gedacht sind. "Was bleibt der Zaunbaufirma übrig, als ihren Betrieb nach irgendwo zu verlegen oder zu schliessen? Es ist absehbar, dass auch hier der Gemeinde Steuersubstrat und Arbeitsplätze in absehbarer Zeit endgültig verloren gehen", heisst es in der Interpellation weiter.

Nun stellten die Grossräte der Regierung kritische Fragen dazu.

Das antwortet die Regierung

Inzwischen liegt die Antwort des Regierungsrates vor, in der er sehr grundsätzlich wird und sehr umfassend antwortet. Er schreibt:

Im Kanton Aargau bestehen zurzeit unbebaute Arbeitszonenreserven im Umfang von rund 562 Hektar (ha). Diese Arbeitszonenreserven sind sowohl relativ wie auch absolut im Vergleich zu den anderen Kantonen im Metropolitanraum Zürich (Zürich, Aargau, Thurgau, Schaffhausen, Schwyz, St. Gallen, Zug, Luzern) die grössten. Selbst der doppelt so grosse Kanton Zürich hat weniger unbebaute Arbeitszonenreserven. Grundsätzlich sind im Kanton Aargau also vergleichsweise viele unbebaute Flächen in Arbeitszonen vorhanden, so die Regierung einleitend.

Einzonungen nur, wenn vorher nachweislich alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft wurden

Das Bundesgesetz über die Raumplanung (Raumplanungsgesetz, RPG) und die Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft (BV) schreiben die haushälterische Nutzung des Bodens vor. Die Siedlungsgebiets- und Bauzonenbewirtschaftung sei dafür die Grundvoraussetzung. Einzonungen von Arbeitszonen erforderneine Arbeitszonenbewirtschaftung, welche die haushälterische Nutzung der Arbeitszonen aus übergeordneter Sicht gewährleistet. Einzonungen können nur in Erwägung gezogen werden, wenn vorher nachweislich alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft wurden, um einen örtlich konkreten Flächenbedarf innerhalb der bestehenden bebauten und unbebauten Bauzonen zu decken.

Neue Arbeitszonen dürfen nur projektbezogen festgelegt werden und sind an die Realisierung des Projekts zu binden, heisst es in der Antwort weiter. Lösungen seien über Gemeindegrenzen hinaus zu suchen. Zu den Aufgaben einer Arbeitszonenbewirtschaftung zähle unter anderem das Führen einer regionalen Übersicht. Das erfordere eine enge Zusammenarbeit aller zuständigen Stellen. Die Siedlungsgebiets- und Bauzonenbewirtschaftung sei daher eine Verbundaufgabe der Gemeinden, der regionalen Planungsverbände und des Kantons.

Schrittweises Vorgehen, so soll es in vier Schritten ablaufen

Im Rahmen der Arbeitszonenbewirtschaftung sei ein schrittweises Vorgehen geboten. Besteht in einer Gemeinde nachgewiesener Bedarf an zusätzlichen Nutzflächen, ist zunächst zu prüfen, ob der Flächenbedarf innerhalb bestehender Bauzonen abgedeckt werden kann:

• Schritt 1: Nutzungs- und Baulandreserven innerhalb der bestehenden Bauzone optimal ausschöpfen.

• Schritt 2: Bestehende Bauzonen anpassen oder (über)kommunal umlagern. Ist nachweislich keine tragbare Lösung innerhalb dieser Bauzonen möglich, können im Kanton Aargau zwei weitere Schritte beziehungsweise Instrumente aus dem kantonalen Richtplan in Erwägung gezogen werden: Regionale und kantonale Siedlungsgebietsreserven, die in der Richtplan-Gesamtkarte nicht verortet sind und die unter bestimmten Bedingungen von den Gemeinden genutzt werden können:

• Schritt 3: Bezug von Siedlungsgebiet aus dem Regionalen Topf abklären.

• Schritt 4: Zuweisung von Siedlungsgebiet aus einem Kantonalen Topf prüfen. Das schrittweise Vorgehen bei der Arbeitszonenbewirtschaftung gewährleistet, dass die bestehenden Nutzungsreserven entsprechend der Forderung nach einem haushälterischen Umgang mit dem Boden auf allen vier Ebenen – privat, kommunal, regional und kantonal – überprüft werden.

Das schaffe eine wesentliche Voraussetzung für rechtssichere Entscheide über allfällige Einzonungen. Jeder Schritt ist Bedingung für den nächsten Schritt und muss nachvollziehbar dokumentiert werden. Eine vollständige Aufbereitung der Planungsgrundlagen und des Bedarfsnachweises sowie eine nachvollziehbare Dokumentation der Ergebnisse der einzelnen Schritte trügen dazu bei, heisst es weiter, "die Verfahrensdauer zu minimieren".

Regierung: Beispiele aus Abtwil und Schupfart sind Einzelfälle

Das oben skizzierte Vorgehen in vier Schritten sei bereits in verschiedenen Fällen erfolgreich angewendet worden, indem für den Flächenbedarf von Betrieben Anteile aus den Siedlungsgebietsreserven gewährt werden konnten. Die beiden in der Interpellation beschriebenen Beispiele aus den Gemeinden Abtwil und Schupfart sind in der Einschätzung des Regierungsrats Einzelfälle.

Oft spielten beim Umzug eines Unternehmens mehrere Gründe zusammen. Ein Faktor könne zudem die Nähe der Kantonsgrenze sein: Das Unternehmen in Abtwil war offenbar bereit, fünf Kilometer weiter in den Kanton Luzern umzuziehen, so die Regierung weiter. In einer etwas grösseren Distanz hätte es auch Möglichkeiten im Kanton Aargau gegeben. Beim Beispiel aus Schupfart sei festzuhalten, dass im Fricktal erhebliche Reserven an unbebauten Arbeitszonen ausgewiesen sind.

Zu den Fragen der Interpellanten antwortet die Regierung konkret wiefolgt:

  • Frage 1 "Wie viele Gewerbebetriebe verliessen den Kanton Aargau infolge fehlender oder nicht verfügbarer Gewerbeflächen?" Im Kanton Aargau beschäftigten im Jahr 2022 über 46'000 Arbeitsstätten (einzelne Betriebe) insgesamt fast 360'000 Beschäftigte, die rund 274'000 Stellen (Vollzeitäquivalente; VZÄ) entsprechen.1 Gemäss Auswertung von Daten des Bundesamts für Statistik (BFS) sind in den Jahren 2020–2022 jährlich 8–17 Betriebe mit mehr als 10 VZÄ in den Aargau zugezogen und 12–16 Betriebe weggezogen. Die überwiegende Mehrheit der zu- und wegziehenden Betriebe in und aus dem Aargau sind Mikrounternehmen. Über die Zuzugs- und Wegzugsgründe werden keine strukturierten Daten erhoben. Grössere Unternehmen werden von der kantonalen Standortförderung nach ihrem Wegzug über die Gründe befragt. Im Jahr 2023 hat keines der befragten Unternehmen explizit mangelnde Expansionsmöglichkeiten genannt. Die Gründe für den Wegzug waren der Fachkräftemangel beziehungsweise die bessere Erreichbarkeit von und für Fachkräfte am neuen Ort oder bessere Angebote für die Arbeitnehmenden in den Bereichen Kinderbetreuung, Versorgung und Verpflegung, die Nähe zum Markt beziehungsweise zu den Kundinnen und Kunden oder eine Konsolidierung innerhalb der Firmengruppe. Auch die jährliche AIHK-Wirtschaftsumfrage bei den Aargauer Unternehmen ergab in den letzten Jahren keine Hinweise darauf, dass Firmen zu wenig Erweiterungsmöglichkeiten haben oder unüberwindbare planungs- oder baurechtliche Hindernisse bestehen. So werden fehlende Gewerbeflächen ausdrücklich gar nicht oder nicht prioritär als grundsätzliches Problem bezeichnet. Der Standortförderung sind Startup-Unternehmen bekannt, die aus dem Aargau weggezogen sind, weil sie sehr schnell auf günstige, bereits funktionierende Produktionsflächen angewiesen sind. Umgekehrt sind auch Startups bekannt, die genau solche Flächen im Aargau gefunden haben und deshalb zugezogen sind.
  • Frage 2 "Wie viele Arbeitsplätze verliert der Kanton Aargau infolge fehlender oder nicht verfügbarer Gewerbeflächen?" Mit den in der Antwort zur Frage 1 genannten zu- und wegziehenden Betrieben mit über 10 VZÄ zogen in den Jahren 2020–2022 jährlich jeweils Arbeitsplätze im Umfang von rund 200–350 VZÄ zu beziehungsweise weg. Über alle drei Jahre hielten sich insgesamt zu- und wegziehende Arbeitsplätze im Umfang von je fast 800 VZÄ die Waage. Wie in der Antwort zur Frage 1 festgestellt, gibt es für die Zu- und Wegzüge ganz unterschiedliche Gründe.
  • Frage 3 "Wie viel Steuersubstrat entgeht dem Kanton Aargau infolge fehlender oder nicht verfügbarer Gewerbeflächen (Steuern der juristischen Personen sowie allenfalls zusammenhängend der natürlichen Personen infolge Wohnortswechsel)?" Konkrete Angaben über entgangenes Steuersubstrat infolge fehlender oder nicht verfügbarer Gewerbeflächen lassen sich mangels belastbarer Daten nicht machen. Auch werden die Gründe eines Wegzugs von Unternehmen oder von deren Angestellten nicht systematisch erfasst. Deshalb sind auch keine groben Schätzungen über die steuerlichen Auswirkungen möglich.
  • Frage 4 "Warum dauern BNO-Revisionen und Meliorationen so lange, dass Gewerbebetriebe über Jahre und Jahrzehnte keine Perspektiven sehen, sich innert planbarer, vernünftiger Zeit zu entwickeln?" Bereits rechtsgültig eingezonte Arbeitszonen stehen grundsätzlich für eine sofortige Überbauung zur Verfügung. Vorausgesetzt ist, dass die Gemeinden ihre Erschliessungspflicht erfüllt haben und die Bauzonen baureif sind. Sofern das Grundstück erschlossen ist, kann nach einem Standort- oder Entwicklungsentscheid eines Unternehmens das Baubewilligungsverfahren umgehend beginnen. Eine BNO-Revision (Nutzungsplanverfahren) wird angestossen, wenn zum Beispiel an der Nutzungsart oder an den Baumassen der Bauzonen etwas geändert werden soll. Die durchschnittliche Dauer hängt vom Umfang und von der Komplexität des Planungsvorhabens, von den eingesetzten Ressourcen, von den beteiligten Akteuren und von der Qualität der Arbeiten ab. Planungsbehörde ist die Gemeinde. Die Gesamtrevision einer allgemeinen Nutzungsplanung dauert erfahrungsgemäss in der Regel etwa drei Jahre (erste Vorprüfung, zweite Vorprüfung und Genehmigung beim Kanton; dazwischen Überarbeitung durch die Gemeinde). Längere Verfahrensdauern sind Ausnahmefälle, deren Ursachen die Verwaltung oft nicht beeinflussen kann. Beispielsweise dauert das Genehmigungsverfahren länger, wenn nach dem Beschluss der Gemeindeversammlung beziehungsweise des Einwohnerrats Beschwerden erhoben werden. Bisher erfolgreich durchgeführte Teiländerungen zur Umlagerung von Siedlungsgebiet und Bauzonen zugunsten von Gewerbebetrieben konnten bei Vollständigkeit der Unterlagen innerhalb von 15–18 Monaten abgewickelt werden. Entscheidend ist die eingereichte Qualität der Planung (vgl. Vorbemerkungen), auch die Auslastung der Verwaltung ist für die Fristen mitbestimmend. Meliorationen finden in der Regel ausserhalb der Bauzonen, das heisst im Kulturland statt. Bei Meliorationen sind oft viele Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer betroffen und beteiligt. Nebst der Vorbereitung, der Planung und den vertraglichen Regelungen sind häufig auch Bauarbeiten notwendig (zum Beispiel für Bachöffnungen, Wege). Dieser Prozess und diese Arbeiten sind zeitintensiv.
  • Frage 5 "Was gedenkt der Kanton zu tun, um Verfahren wie BNO-Revisionen und Meliorationen zu beschleunigen oder Zwischenschritte festzulegen, so dass Gewerbebetriebe in ihrer Entwicklung weniger behindert werden?" Wie in den Vorbemerkungen und der Antwort zur Frage 4 erläutert, sind Gewerbebetriebe in ihrer Entwicklung in der Regel weder durch BNO-Revisionen noch Meliorationen behindert. Die allermeisten Gewerbebetriebe finden ihre Entwicklungsmöglichkeiten innerhalb der rechtsgültigen BNO und den Bauzonen im geltenden Nutzungsplan. Braucht ein Gewerbebetrieb für seine Entwicklung nachgewiesenermassen eine BNO-Revision, so dürfte dies ein ausgesprochen seltener Fall sein. Der Investor kann zudem das Baugesuch parallel zur Nutzungsplanung so vorbereiten, dass es unmittelbar nach Genehmigung der BNO bewilligt werden kann. Denkbar ist allenfalls, dass ausnahmsweise eine laufende Melioration die Umlagerung von Bauzonen erschwert.
  • Frage 6 "Wie viele Aargauer Gemeinden verfügen über keine bebaubaren Gewerbeflächen? Welche Gemeinden (namentliche Aufzählung, geordnet nach Bezirk)?" Es besteht keine Statistik der "bebaubaren Gewerbeflächen". Deshalb werden die unbebauten Arbeitszonen (562 ha) gemäss der öffentlich zugänglichen Bauzonenstatistik 2023 herangezogen. Dabei wird vereinfachend angenommen, dass "keine bebaubaren Gewerbeflächen" vorhanden sind (auch nicht in anderen Zonenarten), wenn keine unbebauten Arbeitszonen bestehen. Dies ist in folgenden Gemeinden gegeben:
  • Bezirk Aarau: Biberstein, Erlinsbach, Hirschthal
  • Bezirk Baden: Bellikon, Ennetbaden, Künten, Wettingen
  • Bezirk Bremgarten: Berikon, Büttikon, Fischbach-Göslikon, Jonen, Oberlunkhofen, Oberwil-Lieli, Uezwil, Widen, Islisberg
  • Bezirk Brugg: Habsburg, Mandach, Mönthal, Mülligen, Riniken, Rüfenach, Thalheim, Villnachern
  • Bezirk Kulm: Birrwil, Holziken, Leutwil, Schmiedrued, Teufenthal
  • Bezirk Laufenburg: Oberhof, Wölflinswil
  • Bezirk Lenzburg: Ammerswil, Boniswil, Meisterschwanden, Seengen, Staufen
  • Bezirk Muri: Abtwil, Aristau, Auw, Beinwil (Freiamt), Besenbüren, Bettwil, Bünzen, Buttwil, Geltwil, Kallern, Mühlau
  • Bezirk Rheinfelden: Hellikon, Magden, Mumpf, Olsberg, Schupfart, Wegenstetten
  • Bezirk Zofingen: Uerkheim, Wiliberg
  • Bezirk Zurzach: keine

54 Aargauer Gemeinden verfügen über keine unbebauten Arbeitszonen. Hierbei gilt es zu beachten, dass von diesen 54 Gemeinden 24 Gemeinden reine Wohngemeinden ohne jegliche Arbeitszonen sind (allenfalls mit Gewerbe in Kern- oder Mischzonen). Es ist ein zentraler raumplanerischer Grundsatz, dass sich die Gemeinden auf die guten Lagevoraussetzungen konzentrieren und deshalb nicht jede Gemeinde über eine Arbeitszone verfügen muss. 11 weitere Gemeinden haben Arbeitszonen in kleinem Umfang (<1 ha). 14 weitere Gemeinden haben Arbeitszonen von total weniger als 2 ha. Diese 49 Gemeinden verfügen statistisch über keine unbebauten Arbeitszonen. Entgegen der vereinfachenden Annahme ist anzunehmen, dass nicht ausgewertete "bebaubare Gewerbeflächen" in unbebauten Zentrums- und Wohn-/Mischzonen bestehen (in der Regel für mässig störendes Gewerbe gemäss BNO der jeweiligen Gemeinde). Es ist also möglich, dass bei den oben aufgelisteten 54 Gemeinden auch Gemeinden enthalten sind, die sehr wohl "bebaubare Gewerbeflächen" in unbebauten Zentrums- und Wohn-/Mischzonen haben. Ebenfalls nicht ausgewertet sind Bauzonen mit erheblichen Gewerbeflächen-Potenzialen, die im bereits als bebaut geltenden Bestand realisier- und nutzbar sind, zum Beispiel in unternutzten oder brachliegenden Arealen. Durch Umnutzungen, gemeinsame Nutzungen und mehrgeschossige Gewerbebauten könnten erhebliche Potenziale realisiert werden. Auch Gemeinden mit solchen Reserven können in obiger Liste enthalten sein.

  • Frage 7 "Wie viele Aargauer Gemeinden verfügen über weniger als 4'000 m2 bebaubare Gewerbeflächen, um damit mindestens zwei Gewerbebetriebe anzusiedeln zu können? Welche Gemeinden (namentliche Aufzählung, geordnet nach Bezirk)?" • Bezirk Aarau: Densbüren, Muhen • Bezirk Baden: Killwangen, Remetschwil, Freienwil, Ehrendingen, Neuenhof, Turgi (zusammengeschlossen mit Baden per 1. Januar 2024), Fislisbach • Bezirk Bremgarten: Hägglingen, Zufikon • Bezirk Brugg: Bözberg, Remigen • Bezirk Kulm: keine (beziehungsweise siehe Antwort zur Frage 6) • Bezirk Laufenburg: Gipf-Oberfrick, Zeihen • Bezirk Lenzburg: Hallwil, Hendschiken, Othmarsingen • Bezirk Muri: Merenschwand, Waltenschwil • Bezirk Rheinfelden: keine (beziehungsweise siehe Antwort zur Frage 6) • Bezirk Zofingen: Bottenwil, Kirchleerau • Bezirk Zurzach: Böttstein, Endingen, Siglistorf 25 Aargauer Gemeinden verfügen über weniger als 4'000 m2 (0,4 ha) unbebaute Arbeitszonen (in Ergänzung der Antwort zur Frage 6). Nicht auswertbar ist auch bei dieser Aufzählung, ob allenfalls 4'000 m2 bebaubare Gewerbeflächen" (oder mehr) in unbebauten Zentrums- und Wohn-/Mischzonen bestehen (in der Regel für mässig störendes Gewerbe gemäss BNO der jeweiligen Gemeinde). Nicht statistisch erfasst sind auch hier erheblichGewerbeflächen-Potenziale, die im bereits als bebaut geltenden Bestand realisier- und nutzbar sind, zum Beispiel in unternutzten oder brachliegenden Arealen. Ebenso können Um- und Aufzonungen Potenziale für Ansiedlungen in der gefragten Grössenordnung schaffen.
  • Frage 8 "Welche Aargauer Gemeinden verfügen über ausreichend bebaubare Gewerbeflächen und sind an Ansiedlungen interessiert (namentliche Aufzählung, geordnet nach Bezirk)?" In den erwähnten 562 ha unbebauten Arbeitszonen-Flächen bestehen kantonsweit mindestens 900 zusammenhängende unbebaute Areale mit einer Mindestgrösse von 4'000 m2 , um gemäss Annahme der Interpellanten mindestens 1'800 Gewerbebetriebe ansiedeln zu können (vgl. Fragestellung 7). Es darf davon ausgegangen werden, dass grundsätzlich alle Gemeinden, unabhängig ob mit oder ohne (freie) Arbeitszonen, an Ansiedlungen von Betrieben interessiert sind. Denn Bauzonen sind gemäss Bundesrecht so festzulegen, dass sie dem voraussichtlichen Bedarf für 15 Jahre entsprechen. Die Gemeinden müssen die benötigten Gewerbeflächen innerhalb der bestehenden Bauzonen zur Verfügung stellen. Überdimensionierte Bauzonen sind zu reduzieren (Art. 15 RPG). Folgende Gemeinden haben freie Gewerbeflächen (unbebaute Arbeitszonen-Flächen) von über 4'000 m2 :
  • Bezirk Aarau: Aarau, Buchs, Gränichen, Küttigen, Oberentfelden, Suhr, Unterentfelden
  • Bezirk Baden: Baden, Bergdietikon, Birmenstorf, Gebenstorf, Mägenwil, Mellingen, Niederrohrdorf, Oberrohrdorf, Obersiggenthal, Spreitenbach, Stetten, Untersiggenthal, Wohlenschwil, Würenlos, Würenlingen
  • Bezirk Bremgarten: Arni, Tägerig, Rudolfstetten-Friedlisberg, Sarmenstorf, Eggenwil, Unterlunkhofen, Niederwil, Dottikon, Wohlen, Villmergen, Bremgarten
  • Bezirk Brugg: Birrhard, Veltheim, Auenstein, Hausen, Villigen, Windisch, Schinznach, Brugg, Lupfig, Birr
  • Bezirk Kulm: Beinwil am See, Schöftland, Leimbach, Zetzwil, Gontenschwil, Schlossrued, Oberkulm, Dürrenäsch, Unterkulm, Reinach
  • Bezirk Laufenburg: Böztal, Gansingen, Herznach-Ueken, Oeschgen, Wittnau, Schwaderloch, Laufenburg, Mettauertal, Frick, Münchwilen, Kaisten, Eiken, Sisseln
  • Bezirk Lenzburg: Fahrwangen, Brunegg, Möriken-Wildegg, Dintikon, Holderbank, Seon, Hunzenschwil, Egliswil, Lenzburg, Niederlenz, Rupperswil, Schafisheim
  • Bezirk Muri: Boswil, Rottenschwil, Oberrüti, Dietwil, Sins, Muri
  • Bezirk Rheinfelden: Möhlin, Obermumpf, Wallbach, Stein, Kaiseraugst, Rheinfelden, Zeiningen, Zuzgen
  • Bezirk Zofingen: Moosleerau, Safenwil, Staffelbach, Reitnau, Vordemwald, Aarburg, Strengelbach, Brittnau, Murgenthal, Kölliken, Rothrist, Oftringen, Zofingen
  • Bezirk Zurzach: Lengnau, Tegerfelden, Fisibach, Leuggern, Mellikon, Schneisingen, Koblenz, Leibstadt, Klingnau, Döttingen, Zurzach, Full-Reuenthal.
  • Frage 9 "Kleine Gemeinden werden durch die restriktive BNO-Politik und anderer Vorschriften der Aargauer Verwaltung in ihrer Entwicklung eingeschränkt bzw. gar behindert. Besteht Handlungsbedarf?" Die Analyse der unbebauten Arbeitszonen pro VZÄ zeigt, dass insbesondere grosse Gemeinden die kleinsten Flächen an unbebauten Arbeitszonen pro VZÄ ausweisen. Ausserdem verfügen kleinere Gemeinden in der Regel auch über grössere Flächen an unbebauten Wohnzonen pro Einwohnerin und Einwohner. Die genannten Instrumente stehen auch kleineren Gemeinden zur Verfügung, bis hin zur Erweiterung der kommunalen Arbeitszone. Bedingung ist, dass die vier Planungsschritte gemäss Vorbemerkung nachvollziehbar bearbeitet werden und dass über die Gemeindegrenzen hinweg geplant wird. Für kleine Gemeinden besteht aus Sicht des Regierungsrats deshalb kein Handlungsbedarf. Zur Förderung der Verfügbarkeit von Bauland kann die Gemeinde zudem die Baupflicht einsetzen. Der Gemeinderat kann für die Überbauung eines Grundstücks eine Frist festlegen, die mit dem Erschliessungsprogramm abgestimmt ist. Mit diesem Instrument können die Verfügbarkeit und die Entwicklung von Bauland auch für das Gewerbe gefördert werden.
  • Frage 10 "Bei kleineren Gemeinden wird eine negative Korrelation von fehlendem, zu wenig oder wegziehendem Gewerbe zum kantonalen Finanzausgleich vermutet, speziell zum Steuerkraftausgleich. Wie stellt sich der Regierungsrat dazu?" Gemeinden ohne oder mit nur wenigen Gewerbebetrieben haben in der Regel keine oder nur geringe Erträge aus den Steuern der juristischen Personen, es sei denn, dass andere, nicht gewerbliche juristische Personen dort steuerpflichtig wären. Fehlt diese Ertragsquelle, ist die Finanzkraft der Gemeinde geringer, als wenn sie – unter sonst gleichen Bedingungen – substanzielle Steuererträge juristischer Personen erzielen könnte. Die tiefere Finanzkraft führt im Rahmen des Finanzausgleichs zu höheren Beiträgen aus dem Ressourcenausgleich. Die Zahlungen aus dem Ressourcenausgleich steigen, wenn (steuerrelevante) Firmen eine Gemeinde verlassen. Umgekehrt sinken die Zahlungen, wenn (steuerrelevante) Firmen angesiedelt werden können. In der Tendenz besteht somit ein negativer Zusammenhang zwischen den beiden Grössen. Dies entspricht der Grundidee des Ressourcenausgleichs, weil diese Beiträge dort unterstützend wirken sollen, wo die eigene Ertragskraft einer Gemeinde (beispielsweise wegen fehlenden Steuererträgen von Firmen) tief ist.
  • Frage 11 "Geht der Regierungsrat mit den Interpellanten einig, dass die Regionalen Raumkonzepte den kleineren Gemeinden oftmals wenig Chancen eröffnen, dem lokalen Gewerbe ausreichend raumplanerische Entwicklungsmöglichkeiten zu bieten? Besteht Handlungsbedarf?" Die Regionalen Raumkonzepte, zum Beispiel Regionale Entwicklungskonzepte, sind Planungsinstrumente der Regionalplanungsverbände (Repla). Dabei werden die Mitgliedsgemeinden der regionalen Planungsverbände in die Bearbeitung dieser Konzepte einbezogen. Das Planungs- und Baurecht sowie die formellen und informellen Planungsinstrumente bieten auf allen staatlichen Ebenen Entwicklungsmöglichkeiten bei umfassender Berücksichtigung aller relevanten und betroffenen Interessen. Zudem ist zu erwähnen, dass die Gemeinden ihre Erschliessungspflicht zu erfüllen haben und dass ihnen auch das Instrument der Bauverpflichtung zur Verfügung steht (vgl. Vorbemerkung und Antwort zur Frage 9). Die Entwicklungsmöglichkeiten der Gemeinden sind damit gegeben, unabhängig von der Grösse. Gleichwohl besteht ein Handlungsbedarf, weil diese Möglichkeiten aus sehr unterschiedlichen Gründen nicht immer ausgeschöpft werden, wie der Regierungsrat schon in der Beantwortung des (23.201) Postulats Patrick Gosteli, SVP, Böttstein (Sprecher), Hans-Peter Budmiger, GLP, Muri, Dr. Hanspeter Hilfiker, FDP, Aarau, Daniel Mosimann, SP, Lenzburg, Arsène Perroud, SP, Wohlen, Markus Schneider, Mitte, Baden, Bruno Tüscher, FDP, Münchwilen, vom 20. Juni 2023 betreffend Strukturreformen Aargauer Gemeinden festgestellt hat. Die kleinräumigen Gemeindestrukturen wurden sowohl von den Postulanten wie vom Regierungsrat als Problemfeld geortet. Als Herausforderungen werden ausdrücklich die Raumplanung und generell die Qualität des Service Public genannt. Der Regierungsrat war bereit, den Vorstoss entgegenzunehmen. Die externe Analyse der Gemeindestrukturen ist weit fortgeschritten und soll 2025 veröffentlicht werden. Auf Basis dieser Analyse sind die nächsten Schritte einer möglichen Gemeindestrukturreform festzulegen.
  • Frage 12 "Besteht aufgrund der eingeschränkten Möglichkeiten ein Konflikt mit Standortförderung Aargau? Besteht Handlungsbedarf?" Weder aus der Erfahrung der Standortförderung noch aus der statistischen Auswertung geht hervor, dass Aargauer Unternehmen im Aargau nicht räumlich expandieren können. Zu den 562 ha unbebauten Arbeitszonen gemäss Bauzonenstatistik kommen noch viele weitere als bebaut geltende Flächen, welche jedoch stark unternutzt sind. Diese sind zwar oft nicht verfügbar. Die Gründe dafür liegen aber typischerweise nicht bei der kantonalen Verwaltung. Für den ganzen Kanton betreibt die Standortförderung ein Areal- und Flächenmanagement, um die Verfügbarkeit von ungenutzten Arbeitszonen zu erhöhen. Dafür werden Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer kontaktiert, initial beraten und mit anderen Grundeigentümern vernetzt. Durch die Vernetzung von Grundeigentümerinnen und Grundeigentümern können sich auch Potenziale für gemeinsame Nutzungen ergeben, die flächensparend realisiert werden können und so weitere Ansiedlungen und Betriebserweiterungen zulassen. Oft sind die Eigentümer der Flächen Unternehmen, die Bauland als Reserve halten. Alle interessierten Unternehmen und Gemeinden können das Arealund Flächenmanagement der Standortförderung nutzen. Aus der Beantwortung der vorangehenden Fragen geht hervor, dass weder eingeschränkte Möglichkeiten noch ein Konflikt mit Standortförderung Aargau bestehen und auch kein besonderer Handlungsbedarf zu erkennen ist.