Grundsätzliche Zustimmung zur Gesundheits­politischen Gesamtplanung 2030, aber...

ssMit der Gesundheitspolitischen Gesamtplanung (GGpl) 2030 legt der Regierungsrat ein lang erwartetes Strategiepapier für das Gesundheitswesen und die Gesundheitslandschaft im Kanton Aargau vor. Die Mitglieder der Kommission für Gesundheit und Sozialwesen (GSW) des Aargauer Grossen Rats verlangen in manchen der 24 Themenbereiche der GGpl 2030, insbesondere bei der ambulanten Notfallversorgung und beiden Versorgungsregionen, eine andere Ausrichtung, wie sie mitteilt.

Die strategischen Vorgaben der gesundheitspolitischen Gesamtplanung (GGpl) 2030 sollen nach ihrer Genehmigung durch den Grossen Rat in die Praxis umgesetzt werden. Der Regierungsrat und die Verwaltung sind bei entsprechenden Anpassungen der kantonalen gesetzlichen Grundlagen prinzipiell an die GGpl 2030 gebunden. Der Grosse Rat kann hingegen in seiner gesetzgeberischen Arbeit davon abweichen. Die Kommission GSW hat die GGpl 2030 an insgesamt sieben mehrstündigen Sitzungen beraten und dabei jede Strategie im Detail unter die Lupe genommen.

Umstrittene Versorgungsregionen

Die Kommissionsmitglieder sind mehrheitlich mit den 24 Strategien der GGpl 2030 einverstanden. Eine gewichtige Ausnahme bilden die Versorgungsregionen. Bereits in der Anhörung zur GGpl 2030 wurde deutlich, dass diese in der vorgeschlagenen Form bei den Gemeinden auf Widerstand stössen. Die Kommission GSW stimmt der Schaffung von Versorgungsregionen zu, verlangt aber, dass den Anliegen der Gemeinden Rechnung getragen wird. Eine Mehrheit der Kommissionsmitglieder spricht sich deshalb dafür aus, dass die Langzeitpflege eine gemeinsame Aufgabe von Kanton und Gemeinden bleiben soll. Die Kommission GSW vertritt insbesondere die Ansicht, dass Verhandlung und Abschluss von Leistungs- und Tarifvereinbarungen mit den Pflegeheimen und anderen Anbietern von Beratungs-, Betreuungs- und Pflegeleistungen nicht Aufgabe der Gemeinden beziehungsweise der Versorgungsregionen sein kann. Damit wären vor allem kleinere Gemeinden überfordert.

Bei der ambulanten Notfallversorgung von den Ereignissen überholt

Gemäss Vorschlag des Regierungsrats sollten die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte weiterhin gesetzlich verpflichtet sein, die ambulante Notfallversorgung im Kanton sicherzustellen. Als Mitte November 2023 bekannt wurde, dass die Mobile Ärzte AG, die im Auftrag des Ärzteverbandes unter anderem Hausbesuche während der Nacht oder an den Wochenenden gemacht hat, Konkurs gegangen war, mussten alle Beteiligten schnell umdenken. Dass die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte diese Aufgaben wieder selbst übernehmen sollen, hält eine Mehrheit der GSW-Mitglieder für unzumutbar. Der Kanton Aargau sei vor allem für Hausärztinnen und Hausärzte schon heute wenig attraktiv, weil beispielsweise die Selbstdispensation, die direkte Abgabe von Medikamenten durch den Arzt oder die Ärztin, im Kanton Aargau verboten ist. Die Kommission GSW schlägt dem Grossen Rat vor, dass der Kanton künftig den ambulanten Notfalldienst unter Einbezug der Leistungserbringer und von telemedizinischen Dienstleistungen sicherstellen soll. Dabei soll der Kanton den ungedeckten Betriebsaufwand der Leistungserbringer im ambulanten Notfalldienst decken.

Die bis zum letzten Herbst ebenfalls von der Mobile Ärzte AG wahrgenommenen gesundheitsbehördlichen Aufgaben werden aktuell von der Firma Oseara AG abgedeckt. Sie sollen auch künftig an Drittanbieter delegiert werden können.

Kostendämpfung und Nachhaltigkeit als Ziel

Die Reduktion von Fehlanreizen im Gesundheitssystem, die Digitalisierung, Früherkennungsmassnahmen sowie höhere Kantonsbeiträge an die Gesundheitsförderung sollen nach dem Willen der Mitglieder der Kommission GSW zur Kostendämpfung beitragen. Zudem soll das Kostenbewusstsein in der Bevölkerung gestärkt und ressourcenschonendes Verhalten gefördert werden.

Im Bereich Schulgesundheit liesse sich betreffend Prophylaxe und Gesundheitsförderung viel erreichen. Da heute diverse Schulen keinen Schularzt beziehungsweise keine Schulärztin mehr haben, lässt sich dieses Potenzial im Moment jedoch nicht verwirklichen. Die GSW-Mitglieder sprechen sich dafür aus, dass neben den Schulärztinnen und -ärzten sowie den Kinderärztinnen und -ärzten weitere Gesundheitsfachpersonen für eine flächendeckende Erfassung und Versorgung der Schülerinnen und Schüler im Kanton Aargau sorgen sollen. Im Bereich der Prävention und der Gesundheitsvorsorge verlangt eine Mehrheit der Kommission GSW ausserdem, dass der Kanton einen niederschwelligen Zugang zu Impfangeboten fördert.

Die Kommission GSW verlangt zudem, dass künftig der Nachhaltigkeit der Gesundheitsversorgung vermehrt Aufmerksamkeit geschenkt wird. Auch soll sich der Kanton nach dem Willen einer Kommissionsmehrheit für Forschungs- und Innovationsprojekte in der anwendungsorientierten Gesundheitsforschung einsetzen.

Die Vorlage wird voraussichtlich im April 2024 im Grossen Rat behandelt.