Thomas Burgherr: neue Technologien verschärfen Energieproblematik - das sagt der Bundesrat dazu

Thomas Burgherr: neue Technologien verschärfen Energieproblematik -  das sagt der Bundesrat dazu
Thomas Burgherr. Foto: ZVG

Die Nutzung von künstlicher Intelligenz (KI) führt zu einem enormen Energiebedarf. Die Internationale Energieagentur (IEA) hat in einer weltweit umfassenden Studie aufgezeigt, wie extrem sich die wachsende Nutzung von KI auf den weltweiten Stromverbrauch auswirkt. Schon heute verbrauchen Rechenzentren ungefähr 415 Terawattstunden pro Jahr, was rund 1,5% des globalen Strombedarfs entspricht. Dies schrieb der Aargauer SVP-Nationalrat Thomas Burgherr in einer Interpellation im Mai. Laut IEA dürfte dieser Wert bis 2030 auf 945 Terawattstunden steigen und sich damit mehr als verdoppeln. Schon im laufenden Jahr werden 500 Mrd. Dollar in den Ausbau von Rechenkapazitäten investiert, schrieb Burgherr weiter.

Die IEA nenne aber auch Klimaanlagen, die Elektromobilität sowie die Verwendung von Elektromotoren in der Industrie als wesentliche Treiber des steigenden Strombedarfs. In den USA werden neben Kernreaktoren auch flexibel einsetzbare Gaskraftwerke gebaut, während etwa China und Japan stärker auf Kernenergie setzen. Er bat den Bundesrat, sieben Fragen zu beantworten (nachfolgend im Wortlaut wiedergegeben):
1. Wie beurteilt er die Auswirkungen des steigenden Strombedarfs durch neue Digitaltechnologien wie KI, Blockchain und Quantencomputing auf die langfristige Stromversorgungssicherheit der Schweiz, insbesondere in Hochlastzeiten und in den Wintermonaten?
2. Wie hoch schätzt er den heutigen Stromverbrauch von Rechenzentren und KI in der Schweiz, und mit welcher Entwicklung rechnet er bis 2030?
3. Entsteht durch die Berechnung der IEA Anpassungsbedarf bei den Energie- und Stromprognosen der Schweiz?
4. Welche Einschätzung hat er zur Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Schweiz im Bereich Rechenzentren und KI, sowie weiteren Digitalhochtechnologien, insbesondere im Vergleich mit Ländern wie den USA oder asiatischen Staaten, die massiv investieren?
5. Sieht er die Notwendigkeit, den Ausbau von Stromproduktionskapazitäten durch grundlastfähige Kraftwerke oder Reservekapazitäten (inkl. fossile Kapazitäten oder neue Kernenergie) zu beschleunigen, um den künftigen Strombedarf (z. B. durch KI, Elektromobilität, Digitalisierung) abdecken zu können?
6. Wie sieht er den Zielkonflikt zwischen Digitalisierung und Innovation (inkl. KI), Klimazielen und Versorgungssicherheit – und welche politischen Leitlinien setzt er dabei?
7. Bestehen aus Sicht des Bundesrates Risiken, dass energieintensive digitale Infrastrukturen vermehrt ins Ausland abwandern oder sich in der Schweiz nicht mehr wirtschaftlich betreiben lassen?

So antwortet der Bundesrat

1. Bei der Frage des Strombedarfs von KI-Anwendungen muss grundsätzlich berücksichtigt werden, ob und inwiefern solche Anwendungen auf Schweizer Rechenzentren laufen würden. Gleiches gilt für die Blockchain-Technologien oder das Quantencomputing. Es ist nicht bekannt, ob und wann allenfalls grosse Rechenzentren spezifisch für solche Anwendungen in der Schweiz gebaut werden würden, entsprechend ist eine Prognose des zukünftigen Strombedarfs für diese Anwendungen schwierig. Die Stromversorgungssicherheit muss mit oder ohne diese Anwendungen jederzeit gewährleistet sein. Im Rahmen der Legislaturplanung hat das Parlament den Bundesrat ausserdem beauftragt, eine Energieeffizienzstrategie auszuarbeiten. Dabei werden auch die Entwicklung des Stromverbrauchs und spezifische Effizienzmassnahmen für Rechenzentren untersucht, beispielsweise die Wiederverwendung von Abwärme.

 2. Dem Bundesrat sind gegenwärtig keine Studien bekannt, welche den aktuellen und künftigen Strombedarf von Rechenzentren in der Schweiz quantifizieren. In einer Studie des Bundesamts für Energie (BFE) wird dies zurzeit untersucht. Die Studie soll Ende 2025 publiziert werden.

 3. Das BFE hat eine Aktualisierung der Energieperspektiven in Auftrag gegeben; die Arbeiten werden im zweiten Halbjahr 2025 starten, Ergebnisse sollen 2027 vorliegen. Dabei werden neue Erkenntnisse, u.a. auch der IEA einfliessen. Rechenzentren werden dabei berücksichtigt.

 4. Die Schweiz befindet sich bezüglich Digitalisierung gemäss internationalen Rankings in einer guten Position. Im «World Digital Competitiveness Ranking» belegt sie den zweiten Rang. Im «Global AI Index» erreicht sie den zwölften Rang. Verschiedene multinationale Technologieunternehmen haben in den letzten Jahren zudem KI-Forschungszentren in der Schweiz angesiedelt. Schliesslich hat die Schweiz im europäischen Vergleich eine hohe Dichte an Rechenzentren pro Kopf.

 5. Der Bundesrat verfolgt die Entwicklung des Stromverbrauchs in der Schweiz und setzt die Rahmenbedingungen für eine ausreichende und sichere Stromversorgung, schreibt er weiter. Dabei berücksichtige er technologische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Trends. Eine wichtige Grundlage bilden die Energieperspektiven. Der Strombedarf von KI, Elektromobilität oder Digitalisierung flössen in diese Analyse ein. Zur Deckung des zukünftigen Strombedarfs stehe kurz- und mittelfristig der Ausbau der erneuerbaren Energien im Vordergrund. Langfristig sei der Bundesrat technologieoffen und habe mit dem indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Jederzeit Strom für alle» die Aufhebung des Neubauverbots von Kernkraftwerken in der Schweiz beantragt. Damit wolle der Bundesrat die Kernenergie als Option für die langfristige Sicherheit der schweizerischen Energieversorgung offenhalten. Am 20. Juni 2025 hat das Parlament die Stromreserve-Vorlage verabschiedet, um auf mögliche Engpässe vorbereitet zu sein.

 6. Der Bundesrat wurde mit dem Postulat Fivaz 24.4679 «Stellt der Stromverbrauch der künstlichen Intelligenz eine Gefahr für die Energiestrategie 2050 dar?» beauftragt, in einem Bericht aufzuzeigen, welche Auswirkungen der Einsatz von künstlicher, insbesondere generativer Intelligenz auf die Energiestrategie und die CO2-Neutralität haben wird und wie diese Entwicklungen begleitet werden können. Der Zusammenhang zwischen künstlicher Intelligenz und der Versorgungssicherheit wird im Postulat 23.3957 «Künstliche Intelligenz und Versorgungssicherheit. Analyse der rechtlichen Grundlagen im Energiebereich» aufgezeigt.

 7. Wirtschaftliche und vorhersehbare Energiepreise seien für energieintensive Unternehmen von hoher Relevanz. Im europäischen Vergleich weist die Schweiz bei Grossverbrauchern tendenziell relativ hohe Strompreise (Energie inkl. Netzkosten) auf. Der Schweizer Tertiärsektor benötigt jedoch insgesamt relativ wenig Energie, um eine Einheit Bruttowertschöpfung zu erzeugen. Die Energieintensität beträgt nur ein Viertel des europäischen Durchschnitts. Dies haben die Studienergebnisse zur Rolle von Preissignalen für eine effiziente Energienutzung im Jahr 2024 festgestellt. Die Standortwahl von Unternehmen hängt jedoch auch von einer Vielzahl anderer Standortfaktoren ab, wie bspw. der Steuerbelastung, der politischen Stabilität oder einer effizienten Verwaltung, schreibt der Bundesrat abschliessend.