Simona Brizzi will mit Motion Berufsbildung stärken und Fachkräftemangel bekämpfen - das sagt der Bundesrat dazu
Der Bundesrat wird beauftragt, in Abstimmung mit den Kantonen und den Organisationen der Arbeitswelt Massnahmen zu ergreifen und gesetzliche Vorgaben zu verankern, um die Ausbildungsqualität in den Ausbildungsbetrieben weiter zu steigern (z.B. in der Form einer periodischen Weiterbildung für Berufsbildnerinnen und Berufsbildner). Dies forderte die Aargauer SP-Nationalrätin Simone Brizzi im Juni in einer Motion.
Die duale Berufsbildung stehe vor grossen Herausforderungen, schrieb sie dazu. Branchenübergreifend werden durchschnittlich rund 25% der Lehrverträge jährlich aufgelöst und viele Lernende bestehen das Qualifikationsverfahren nur knapp. Die Gründe dafür seien vielfältig.
Immer mehr Jugendliche entscheiden sich für eine allgemeinbildende Schule. Viele Lehrstellen bleiben unbesetzt. Jugendliche, die sich für die duale Ausbildung entscheiden, müssen darum bestmöglichst von den Lehrbetrieben ausgebildet und begleitet werden, schrieb Brizzi.
Die Berufsbildnerinnen und Berufsbildner sind zentrale Akteure in der Berufsbildung und tragen massgeblich zur Qualität der Ausbildung und zu einem erfolgreichen Lehrabschluss bei. Dies zeigen laut Brizzi u.a. aktuelle Studien der EHB. Es gebe zudem ergänzend in vielen Betrieben Praxisbildende, welche ebenfalls direkten Einfluss auf die Nachhaltigkeit der Ausbildung haben. Die Begleitung der Lernenden umfasse weitaus mehr als die reine Wissens- und Knowhow-Vermittlung. Ebenso trügen die Berufsbildnerinnen und Praxisbildenden dazu bei, Jugendliche beim Übergang zwischen Schule und Arbeitswelt und den damit verbundenen Schwierigkeiten und Herausforderungen auf dem Weg ins Erwachsenenleben zu begleiten.
Bislang existieren obligatorische Grundkurse (mindestens 40-stündigen Kurs, BBV Art. 40), die zur Tätigkeit als Berufsbildnerin/Berufsbildner berechtigen. Für weiterführende Qualifikationen gibt es zum Teil branchenspezifische Angebote und Weiterbildungen. Flächendeckende periodische Weiterbildungsverpflichtungen wie es z.B. in J&S-Kursen oder vielen pädagogischen Berufen üblich ist, existieren nicht.
Die Steuerung der Berufsbildung erfolgt im Verbundsystem. Die Ausgestaltung der gesetzlichen Vorgaben und Massnahmen erfordere eine Abstimmung und Koordination zwischen dem Bund und den beteiligten Akteuren der Berufsbildung, schrieb Brizzi abschliessend.
So antwortet der Bundesrat
In den Lehrbetrieben übernehmen die Berufsbildnerinnen und Berufsbildner die Gesamtverantwortung für die Ausbildung der Lernenden. Als Minimalvoraussetzungen müssen sie über eine entsprechende berufspädagogische Grundausbildung gemäss Berufsbildungsverordnung von 40 Kursstunden verfügen. Zuständig für die Umsetzung dieser Kurse sind die Kantone, schreibt der Bundesrat in Beantwortung der Motion. Schweizweit die gleichen Qualitätsstandards gelten bei der berufspädagogischen Qualifikation im Umfang von 100 Lernstunden. Keine gesetzlich vorgeschriebene Qualifizierung brauche es bei Praxisbildnerinnen und Praxisbildnern, welche in den Lehrbetrieben grundsätzlich für die fachliche Ausbildung der Lernenden zuständig sind.
28 Qualitätsanforderungen definiert
Gemäss Art. 24 Abs. 1 Berufsbildungsgesetz sorgen die Kantone für die Aufsicht; Gegenstand der Aufsicht ist auch die Qualität der Bildung in der beruflichen Praxis. Bei dieser Aufsichtstätigkeit wenden die Kantone Qualitätskriterien gemäss dem interkantonalen Instrument «QualiCarte» an. Dieses definiert 28 Qualitätsanforderungen – beispielsweise «Der/die Berufsbildner/in bildet sich regelmässig weiter» – und wird als Instrument der Fremdevaluation eingesetzt. Dadurch kann allfälliges Optimierungspotential erkannt werden, um die Ausbildung laufend zu verbessern.
Zusätzlich böten verschiedene Organisationen der Arbeitswelt und Branchen bereits eigene Weiterbildungsangebote an und sorgten so dafür, dass die Berufsbildnerinnen und Berufsbildner à jour bleiben, schreibt der Bundesrat weiter. Ausserdem kann der Bund Projekte zur Förderung der Ausbildungsqualität unterstützen. Daraus hervorgegangen ist zum Beispiel «SwissEduPro», ein branchenübergreifendes Weiterbildungssystem für Betriebe und die in der Ausbildung von Lernenden engagierten Personen. Das System baut auf dem obligatorischen Berufsbildnerkurs auf und kann berufsfeldspezifisch angeboten werden.
Bundesrat: Aufgabenteilung hat sich bewährt
Aus Sicht des Bundesrats hat sich die bestehende Aufgabenteilung zwischen Bund, Kantonen und Organisationen der Arbeitswelt grundsätzlich bewährt. Zusätzliche Auflagen an die Lehrbetriebe wollen zudem wohlüberlegt sein – der Bund strebt gemäss Unternehmensentlastungsgesetz vielmehr eine Entlastung der Unternehmen von Regulierungskosten an. Das Schweizer Berufsbildungssystem basiert auf dem Prinzip der Freiwilligkeit und Eigenverantwortung der Betriebe.
Diese engagieren sich aus ureigenem Interesse in der Ausbildung, um qualifizierten Nachwuchs zu sichern. Mit der gesetzlich vorgeschriebenen berufspädagogischen Grundausbildung bestehen bereits klare Mindestanforderungen. Darüber hinaus gebe es vielfältige freiwillige Weiterbildungsangebote, die gezielt auf betriebliche Bedürfnisse eingehen. Eine gesetzliche Weiterbildungspflicht könnte die Eigenverantwortung der Betriebe und die Motivation zur freiwilligen Beteiligung schwächen.
Zudem sei die Ausbildungsqualität nicht allein von der formalen Weiterbildung der Berufsbildnerinnen und Berufsbildner abhängig. Ebenso entscheidend sind strukturelle und betriebliche Rahmenbedingungen wie Zeit für die Ausbildung, Wertschätzung, betriebliche Einbettung sowie die Rolle der Praxisbildnerinnen und Praxisbildner. Auch stelle sich angesichts branchenspezifischer Unterschiede und der Fluktuation unter den Berufsbildnerinnen und Berufsbildnern die Frage nach der Finanzierung und Nachhaltigkeit eines Weiterbildungsobligatoriums.
Bundesrat: breites Instrumentarium besteht schon
Zur Stärkung der Berufsbildung und Bekämpfung des Fachkräftemangels besteht bereits ein breites Instrumentarium. Dazu zählen beispielsweise Information und Beratung der Lehrbetriebe durch die kantonale Lehraufsicht, Bereitstellung von Hilfsmitteln für die Ausbildung oder Schulung der Berufsbildnerinnen und Berufsbildner. Welche konkreten zusätzlichen Massnahmen zur Stärkung der Ausbildungsqualität beitragen können und von allen Verbundpartnern mitgetragen werden, werde im Rahmen des laufenden Projekts des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation zur «Attraktivität der Berufsbildung» sorgfältig geprüft. Der Bundesrat will die Resultate dieser Arbeiten abwarten und lehnt zum jetzigen Zeitpunkt zusätzliche gesetzliche Vorgaben und Eingriffe ab. Im Falle einer Annahme der Motion im Erstrat behält er sich vor, im Zweitrat die Abänderung in einen Prüfauftrag zu beantragen.