Podium: "Die Realisierung einer grösseren Überbauung dauert bis 10 Jahre"
            Am Mittwochabend ist in Aarau von der Primus Property AG der neuste Aargauer Wohnmarktbericht vorgestellt worden (vgl. Link unten). Nach Fachreferaten zur aktuellen Entwicklung des Immobilienmarktes von Robert Weinert (Wüest Partner AG) sowie Prognosen zur Bevölkerungsentwicklung von Andrea Plüss (Leiterin Statistik Aargau) wurde in einem Podium diskutiert, ob es im Aargau Wohnungsnot gibt und was zu tun ist.

Plüss hatte zuvor dargelegt, dass der Aargau vorab durch Zuwanderung wächst. 27 % der Zuwanderer kommen aus anderen Kantonen, 72 % aus dem Ausland. Übrigens wohnen derzeit im Durchschnitt 2,3 Personen in einer Wohneinheit.
Primus Property-CEO Thoma verwies einleitend zum Podium darauf, dass in 104 von 197 Gemeinden die Leerstandsziffer unter 1 Prozent beträgt, womit Wohnungsnot gegeben ist. 2020 war dies erst in 34 Gemeinden der Fall, weil zwischenzeitlich viel gebaut worden war, im Jahr 2011 war es jedoch sogar in 120 Gemeinden der Fall.
Bevölkerungswachstum von 21 Prozent bis 2055 erwartet
Klar ist, dass es zusätzlichen Wohnraum braucht, wird doch für den Aargau bis im Jahr 2055 ein Wachstum von 21 (Schweiz 16) Prozent erwartet.
Im Podium war für die Politikerinnen das Problem klar. FDP-Grossrätin Glarner: "Wenn das Angebot sinkt, steigt der Preis. Ja, das macht mir Sorgen. Der Kauf wird gerade für junge Leute immer schwieriger."
Thilo Gruner verwies darauf, dass die Baubewilligungen ansteigen, auf kurze Sicht zeichne sich eine leichte Entspannung ab. Um genug bauen zu können, brauche man aber Land und Verdichtungsmöglichkeiten. Gruner: "Da sehe ich auf lange Sicht etwas schwarz."
Wo müsste man ansetzen?, wollte Moderator Fabian Hägler wissen. Baubewilligungen (auch ohne Einsprachen) dauern lange, so Gruner, das hemme unglaublich. Eine Beschleunigung würde helfen. Das Land sei sehr teuer. Solange es unbebaut ist, gebe es keine Einnahmen, das belaste die Rechnung. Seines Erachtens haben die Baubehörden haben zu viele Aufgaben zu erfüllen.
Liegt das Problem bei den vielen Einsprachen? Jeanine Glarner verwies auf entsprechende Vorstösse im Grossen Rat. Das Problem beginne aber schon bei Bau- und Nutzungsordnung, Gestaltungsplan, das allein dauere schon zehn Jahre. Es komme zu einem Pingpong zwischen Investoren und der kantonalen Verwaltung, es gebe immer mehr Normen, immer mehr Auflagen. Grössere Überbauung dauere bis 10 Jahre. "Wir haben ewig lang, wir müssen reduzieren. Die Einspracheproblematik stelle sich dann erst, wenn das Baugesuch aufliegt.
Claudia Rohrer (SP) warb für Innenentwicklung, mit der man die Innenstädte gezielt verdichte. Das müsse man aber gut machen, "sonst gehen die Leute wieder". Etwa wenn zuviel Verkehr im Quartier ist.
Frühzeitig reden mit allen Beteiligten hilft
Giorgio Engeli warf ein: "Wir reden frühzeitig mit Kanton und Gemeinden. Aber man darf natürlich nicht während eines Verfahrens die Spielregeln ändern." Jeanine Glarner gab ihm recht. Ein guter Dialog zwischen Anwohnern, Investoren und der Gemeinde helfe. "Wenn aber einer eine Einsprache durch alle Böden durchzieht?", fragte sie rhetorisch. Im Torfeld hätte es Platz für hunderte Wohnungen, hier sei man aber einsprachemässig "in einer unmöglichen Situation. Die Verfahren müssen deutlich schneller gehen. Da werden Millionen verschleudert."
Es gebe jetzt einen Vortsoss gegen missbräuchliche Einsprachen, so Glarner weiter. "Nur, wer definiert, was das ist?" Claudia Rohrer sieht die Problematik genauso und ergänzt: "Was missbräuchlich ist, sieht man erst, wenn es durchgespielt ist.".
Klar ist für Gruner: "Wir müssen mehr und bessere, bezahlbare Wohnungen realisieren." Ein gutes Beispiel dafür sieht Claudia Rohrer in der Umnutzung eines ehemaligen Basler Spitals in Wohnungen, in ein Wohnschiff. Sie wirbt im übrigen für genossenschaftliches Bauen.
Solol der Staat selbst mehr investieren? Da wirkz jeanine Glarner vehement ab. "Ich will möglichst wenig Staat im Wohnungsbau. Sonst gehen die Investitionen zurück, wenn der Staat zu stark eingreift. Je mehr wir die Freiheit der Investoren einschränken, desto mehr weichen sie in andere Gemeinden aus."
Würde ein Boden-Vorkaufsrecht für Gemeinden, wie es in Zürich diskutiert wird, helfen oder hemmen? Giorgio Engeli sieht das pragmatisch: Lausanne kenne das seit langem. Doch in 12 Jahren habe sich die Stadt erst ein- oder zweimal die Zeit dafür genommen. Es gelte einfach: "Dichter bauen, bauen, bauen. Das kann Entspannung bringen."
Büroflächen für Wohnungen freigeben?
Giorgio Engeli verwies auf enorme Büroflächen an B- oder C-Lagen. Viel davon werde nicht mehr gebraucht. Da könnte man Tausende zahllose Wohnungen daraus machen.
47 m2 pro Person zum Wohnen
Man war sich auf dem Podium einig; Sinn macht die Umnutzung nicht benötigter Bürofläche, unkonventionelle Lösungen wie das Basler Spitalschiff und anderes mehr, und weniger Staatseingriffe. Betreffend knapper Wohnungsfläche müssen sich aber alle auch selbst an der Nase nehmen. 1936 brauchte nämlich in der Schweiz eine Person 16 m2 zum Wohnen, heute sind es 47 m2.
                    