Pflegende Angehörige: FDP, Mitte und SVP wollen eine Standesinitiative
Die heute im Grossen Rat Aargau traktandierte fraktionsübergreifende Motion von FDP, Mitte und SVP betreffend Anstellung von pflegenden Angehörigen wird zurückgezogen zugunsten einer Standesinitiative, die die Motionäre heute eingereicht haben.
Nun fordern die drei Fraktionen: Der Kanton Aargau fordert die Bundesversammlung mit einer Standesinitiative auf, die gesetzlichen Grundlagen so anzupassen, dass Organisationen der Krankenpflege und Hilfe zu Hause (Spitex) nur dann pflegende Angehörige zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung anstellen dürfen, wenn diese durch die Pflege einen tatsächlichen oder potenziellen Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit in relevantem Umfang hinnehmen müssen.
So wird der neue Vorstoss begründet
Aufgrund eines Bundesgerichtsurteils können Spitex-Organisationen pflegende Angehörige anstellen und die Leistungen zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OPK) abrechnen. Es sei nachvollziehbar, schreiben die drei Fraktionen, dass pflegende Angehörige, die zugunsten der Pflege auf eine tatsächliche oder potenzielle Erwerbstätigkeit verzichten, einen Lohn dafür erhalten. Allerdings gebe es auch Fälle von pflegenden Angehörigen, bei denen ein hohes Risiko für Mitnahmeeffekte besteht – insbesondere bei Personen ausserhalb des obligatorischen Erwerbsalters oder wenn nur kurzfristig bzw. geringfügige Pflege geleistet wird. Aus diesem Grund sei es sinnvoll, heisst es im neuen Vorstoss, "den Kreis der Personen, die als pflegende Angehörige angestellt werden können, einzuschränken".
In seiner Stellungnahme zur Motion 25.75 der Fraktionen FDP, Mitte und SVP betreffend Anstellung von pflegenden Angehörigen führt der Regierungsrat aus, heisst es im neuen Vorstoss, "dass die verlangte Vorschrift, wonach Spitex-Organisationen nur noch pflegende Angehörige anstellen dürfen, die zugunsten der Pflege auf eine Erwerbstätigkeit verzichten, keine bundesrechtskonforme Voraussetzung zur Zulassung zulasten der OPK darstellt". Der Regierungsrat lege dar, dass er das Anliegen im Fall einer Überweisung der Motion deshalb auf Bundesebene einbringen müsste. In diesem Kontext erscheine es folgerichtig, die Bundesversammlung mittels einer Standesinitiative aufzufordern, in dieser Angelegenheit tätig zu werden.
Mitnahmeeffekte und übermässige finanzielle Belastung der OKP verhindern
Ziel der Gesetzesanpassung sei es, Mitnahmeeffekte und eine übermässige finanzielle Belastung der OKP sowie der staatlichen Träger der Pflegerestkosten (im Kanton Aargau sind das die Gemeinden) zu verhindern, heisst es im Antrag auf Direktbeschluss der drei Faktionen. Insbesondere sollen folgende Aspekte sichergestellt werden:
- Personen im ordentlichen Pensionsalter erhalten AHV-Leistungen und gelten rechtlich nicht mehr als Teil des aktiv erwerbstätigen Bevölkerungskreises. Ein freiwilliger Verzicht auf Erwerb nach dem Pensionsalter kann daher nicht als wirtschaftlicher Nachteil gewertet werden. Deshalb sollen nur Personen unterhalb des ordentlichen Rentenalters für eine Anstellung als pflegende Angehörige infrage kommen.
- Kurzzeitige Pflegeleistungen oder punktuelle Hilfeleistungen (z.B. wenige Stunden pro Woche über einen kurzen Zeitraum) sollen nicht zur Anstellung als pflegender Angehöriger und Abrechnung zulasten der OKP führen. Solche Unterstützungsleistungen sind im Rahmen der familiären oder ehelichen Solidarität zumutbar. Eine Abgeltung durch die OKP soll daher auf Pflegesituationen mit einer gewissen Dauer und Intensität beschränkt werden – z.B. ab einem regelmässigen und nachweislich signifikanten zeitlichen Einsatz.
- Der Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit soll nicht nur tatsächliche Erwerbstätige umfassen, sondern auch Personen, die ohne Pflege eine realistische Möglichkeit gehabt hätten, einem entgeltlichen Erwerb nachzugehen. Dabei ist entscheidend, dass ein wirtschaftlicher Nachteil durch den Pflegeeinsatz entsteht – unabhängig davon, ob vorher ein Lohn bezogen wurde. Somit wird sichergestellt, dass z.B. auch Hausfrauen weiterhin als pflegende Angehörige angestellt werden können.
"Auch die Interessen von Steuer- und Prämienzahlern wahren"
Die Arbeit pflegender Angehöriger gelte es anzuerkennen und zu würdigen, heisst es weiter, aber: "Allerdings sollen auch die Interessen von Steuer- und Prämienzahlern gewahrt werden, die zum grössten Teil für die Finanzierung dieser Leistungen aufkommen. Es besteht ein klarer Handlungsbedarf auf Bundesebene, der durch diese Standesinitiative adressiert wird."