Knatsch um Blitzer in Baden: Volk entscheidet 2026 über kantonale Anti-Blitzer-Initiative
FDP-Grossrat Tim Voser hat der Regierung in einer Interpellation diverse kritische Fragen zum Nutzen und zur Motivation für fix installierte Radarstationen gestellt. Unter anderem fragte er: "Teilt der Regierungsrat die Auffassung, dass staatliche Kontrollen, wie etwa stationäre Blitzer, nicht aus finanziellen Motiven erfolgen dürfen und dass eine rein finanziell motivierte Kontrolle den Grundsätzen unseres Rechtsstaats widerspricht?" Und weiter: "Zeichnete sich die Situation mit dem aktuell einzigen stationären Blitzer des Kantons Aargau in Baden durch ein überdurchschnittliches Verkehrssicherheitsdefizit aus und konnte der stationäre Blitzer diese Situation kausal verbessern?"
Die Antwort der Regierung liegt jetzt vor. Sie schreibt, bei der Kontrolle des fliessenden Strassenverkehrs handle es sich hauptsächlich um eine Polizeiaufgabe der Gemeinden. Die Kantonspolizei ist dafür ausschliesslich auf Kantonsstrassen ausserorts zuständig. Konkret bezieht sich der Interpellant auf die stationäre Geschwindigkeits- und Rotlichtüberwachungsanlage am Verkehrsknoten "Gstühl" im Innerortsbereich von Baden, die seit Mitte 2020 von der Stadt Baden betrieben wird. Es handelt sich dabei um die einzige solche Anlage im Kanton Aargau. Die Kantonspolizei setzt keine solchen Anlagen ein.
Nach geltendem Recht stehe es den Gemeinden und der Kantonspolizei frei, schreibt die Regierung weiter, den fliessenden Strassenverkehr mit stationären Geschwindigkeits- und Rotlichtüberwachungsanlagen zu kontrollieren. Weder das Bundesrecht noch das kantonale Recht schränken einen solchen Einsatz ein.
Zur Umsetzung der als Postulat überwiesenen (19.114) Motion Martin Keller, SVP, Obersiggenthal, Josef Bütler, FDP, Spreitenbach, und Rolf Jäggi, SVP, Egliswil (Sprecher), vom 7. Mai 2019 betreffend Verhinderung von automatischen Verkehrsüberwachungsanlagen (AVÜ) auf Kantonsstrassen habe der Regierungsrat im Rahmen seiner (23.112) Botschaft vom 22. März 2023 zur Änderung des Polizeigesetzes vorgeschlagen, den Einsatz von stationären Geschwindigkeits- und Rotlichtüberwachungsanlagen einer Bewilligungspflicht zu unterstellen.
Voraussetzung: erhebliches Verkehrssicherheitsdefizit?
Als Voraussetzung einer solchen Bewilligung war unter anderem vorgesehen, dass am vorgesehenen Einsatzort ein erhebliches Verkehrssicherheitsdefizit besteht. Der Grosse Rat strich die entsprechende Bestimmung im Rahmen der 1. Beratung der Änderung des Polizeigesetzes (vgl. Grossratsbeschluss Nr. 2023-0924 vom 13. Juni 2023).
Initiative "Blitzerabzocke stoppen!" im Herbst im Grossen Rat
ist die Einführung einer solchen Bewilligungspflicht Gegenstand der (25.103) Aargauischen Volksinitiative "Blitzerabzocke stoppen!", welche vom Regierungsrat zur Annahme empfohlen wird. Es wird auch im Rahmen dieser Volksinitiative vorgeschlagen, so der Regierungsrat, "dass die Bewilligung für den Einsatz einer stationären Geschwindigkeits- und Rotlichtüberwachungsanlage unter anderem ein erhebliches Verkehrssicherheitsdefizit am vorgesehenen Einsatzort voraussetzt".
Der Grosse Rat wird diese Volksinitiative voraussichtlich im 3. Quartal 2025 beraten. Die entsprechende Volksabstimmung ist am 8. März 2026 geplant.
"Soll ausschliesslich der Verbesserung der Verkehrssicherheit dienen"
Zur Frage "Teilt der Regierungsrat die Auffassung, dass staatliche Kontrollen, wie etwa stationäre Blitzer, nicht aus finanziellen Motiven erfolgen dürfen und dass eine rein finanziell motivierte Kontrolle den Grundsätzen unseres Rechtsstaats widerspricht?" antwortet der Regierungsrat: Gemäss Strassenverkehrskontrollverordnung richten sich Kontrollen des Strassenverkehrs schwerpunktmässig nach sicherheitsrelevantem Fehlverhalten, den Gefahrenstellen und der Unterstützung des Verlagerungsziels nach dem Güterverkehrsverlagerungsgesetzes.
Der Regierungsrat habe sich in der Vergangenheit schon mehrfach, unter anderem in der im Rahmen der Revision des Polizeigesetzes, dafür ausgesprochen, dass Verkehrskontrollen ausschliesslich der Verbesserung der Verkehrssicherheit dienen sollen.
Zur Frage "Welche Möglichkeiten hat der Regierungsrat nach aktueller Rechtslage, um sicherzustellen, dass stationäre Blitzer der Verkehrssicherheit dienen und nicht aus finanziellen Motiven missbraucht werden?", antwortet der Regierungsrat, dass es die geltenden Rechtsgrundlagen nicht zulassen, dass er den stationäre Geschwindigkeits- und Rotlichtüberwachungsanlagen verbietet oder einschränkt.
Gstühl-Knoten kein Unfallschwerpunkt
Zur Frage "Wie unsicher ist und war (vor dem Errichten des stationären Blitzers) die Verkehrssituation an der Kreuzung des aktuellen Blitzers gemessen am Verkehrsaufkommen (bspw. Unfälle im Verhältnis zum Verkehrsaufkommen)?", antwortet der Regierungsrat, er habe bereits bei der Beantwortung einer Interpellation von 2021 ausgeführt, dass der Gstühl-Knoten kein Unfallschwerpunkt sei. Daran habe sich zwischenzeitlich nichts geändert.
Gemäss den polizeilichen Feststellungen haben sich in den viereinhalb Jahren vor der Inbetriebnahme der Anlage am Gstühl-Knoten drei Verkehrsunfälle ereignet. In den viereinhalb Jahren danach wurden sieben Verkehrsunfälle registriert. Die Anzahl der Verkehrsunfälle hat sich entsprechend erhöht, wobei sich das Verkehrsaufkommen am Gstühl-Knoten seit der Inbetriebnahme nicht wesentlich verändert hat.