Interkantonale Kulturlasten-Vereinbarung: Regierung kündigt sie per Ende 2027 und will bessere Lösung
Mit einem Postulat fordert die FDP-Fraktion (Sprecherin Jeanine Glarner, Möriken-Wildegg) die Prüfung der Kündigung der Vereinbarung über die Zusammenarbeit im Bereich überregionaler Kultureinrichtungen.
Jetzt liegt die Antwort des Regierungsrats vor. Er ist bereit zur Entgegennahme und empfiehlt die gleichzeitige Abschreibung. Warum?
Die Vereinbarung über die interkantonale Zusammenarbeit im Bereich überregionaler Kultureinrichtungen (Interkantonale Kulturlastenvereinbarung, nachfolgend: ILV) ist eine Vereinbarung im Rahmen der interkantonalen Zusammenarbeit mit Lastenausgleich (IKZ), die als Teil des Nationalen Finanzausgleichs (NFA) im Bundesgesetz über den Finanz- und Lastenausgleich (FiLaG) geregelt ist.
Mit Inkrafttreten des NFA sollte der institutionelle Rahmen der IKZ und damit die Rolle der Kantone gestärkt werden. Ziel war eine gerechte Verteilung der Zentrumslasten zwischen den Kantonen anhand der tatsächlichen Nutzniessung. Die IKZ sowie der NFA insgesamt tragen somit wesentlich zur Solidarität zwischen den Kantonen bei und stellen einen wichtigen Pfeiler für den Zusammenhalt des Landes dar.
Vereinbarung von Aargau, Zürich, Luzern, Uri und Zug
Die ILV zwischen den Kantonen Aargau, Zürich, Luzern, Uri und Zug regelt den Ausgleich für überregionale Kultureinrichtungen der Standortkantone Luzern und Zürich. Der Kanton Aargau trat der ILV am 1. Januar 2010 bei. Die Beitragshöhe wird jeweils für drei Jahre festgelegt. Die dafür anrechenbaren Kosten werden auf Basis der Betriebssubventionen der öffentlichen Hand für die definierten ILV-Institutionen der zwei vorhergegangenen Jahre sowie der Verzinsung und Abschreibung der Investitionen seit dem Jahr 2000 abzüglich eines Standortvorteils von 25 % berechnet.
Diese anrechenbaren Kosten werden gemäss Publikumsanteilen auf die Vereinbarungskantone verteilt. Dabei gewähren die Standortkantone Zürich und Luzern dem Kanton Aargau auf die zu leistende Beiträge eine Reduktion gemäss Zusatzprotokollen. Seit der Abgeltungsperiode 2019–2022 verzichten die Kantone Zürich und Luzern als Resultat von Neuverhandlungen im Jahr 2018 auf die Einberechnung von Neuinvestitionen. Diese Regelung gilt aktuell bis 2027.
Bereits im Jahr 2016 wurde die (16.177) Motion der FDP-Fraktion (Sprecherin Jeanine Glarner, Möriken-Wildegg) vom 30. August 2016 betreffend Stärkung der aargauischen Kulturinstitutionen und Austritt aus dem interkantonalen Kulturlastenausgleich per Ende 2018 eingereicht, welche den Austritt des Kantons Aargau aus der ILV verlangte. Der Regierungsrat lehnte damals eine Kündigung mit der Begründung ab, dass die ILV nicht isoliert, sondern als Teil des NFA zu betrachten sei. Der Kulturlastenausgleich wird auch heute noch als Bestandteil des NFA verstanden. Art. 48a BV wurde hingegen damals so ausgelegt, schreibt die Regierung weiter, "dass die Zusammenarbeit im Bereich der Kultureinrichtungen von überregionaler Bedeutung zwingend sei. Entsprechend wurde damals auch von einer bevorstehenden nationalen Lösung im Bereich Kulturlastenausgleich und somit einer befristeten Laufzeit der ILV ausgegangen".
Rechtsgutachten bezweifelt Verbindlichkeit der Bestimmungen zum Lastenausgleich in Bezug auf den Kulturbereich
.Ein von der Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektorinnen und -direktoren (EDK) im Jahr 2019 beim Institut für Föderalismus der Universität Freiburg in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten bezweifelt jedoch die Verbindlichkeit der Bestimmungen zum Lastenausgleich in Bezug auf den Kulturbereich. Seit dem EDK-Gutachten ist klar, dass eine nationale Lösung im Bereich des Kulturlastenausgleichs in den nächsten Jahren nicht realisierbar ist.
Regierungsrat befürwortet Konzept eines Kulturlastenausgleichs weiterhin
Der Regierungsrat befürwortet im Sinne der IKZ das Konzept eines Kulturlastenausgleichs weiterhin. Allerdings haben die letzten Jahre die Schwächen der bestehenden ILV offenbart. So sind heute nur die Kantone Zürich, Luzern, Uri, Zug und Aargau Vertragskantone der ILV. Die Kantone Nidwalden, Obwalden, Schaffhausen und Schwyz sind nicht Vertragskantone der ILV, leisten jedoch freiwillige Beiträge an die Standortkantone Zürich und Luzern.
Schwyz trat aus
Die Bemühungen der letzten Jahre, die ILV auf weitere Kantone auszudehnen, waren erfolglos. So ist im Gegenteil der Kanton Schwyz per Ende 2021 aus der ILV ausgetreten. Es handele sich somit nicht um ein breit abgestütztes Konstrukt,schreibt die Regierung in ihrer Antwort weiter. Darüber hinaus gebe es verschiedene andere Lösungen im Bereich Kulturlastenausgleich, worin unterschiedliche Kantone eingebunden sind (beispielsweise Ostschweiz, Romandie, bilaterale Vereinbarungen).
Eine bedeutende Schwäche der aktuellen ILV sei im fehlenden Mitspracherecht bei gleichzeitigem Mittragen der finanziellen Auswirkungen auszumachen. Die zahlungspflichtigen Kantone haben keinen Einfluss auf die Höhe der Betriebssubventionen und Investitionen für die ILV relevanten Institutionen der Standortkantone Zürich und Luzern. Zwar statuiert die Vereinbarung bei einer Änderung eines Subventionsverhältnisses eine Pflicht zur Durchführung einer Anhörung, diese muss aber nicht zwingend eine Kostenkorrektur herbeiführen. Somit können die zahlungspflichtigen Kantone auf Grundlage der geltenden Vereinbarung keinen Einfluss auf die Entwicklung der Beiträge zugunsten der Standortkantone Zürich und Luzern nehmen, müssen deren kulturpolitische Entscheidungen aber finanziell mittragen.
Aargauer Weichenstellungen nicht adäquat abgebildet
Gleichzeitig können beispielsweise die kulturpolitischen Weichenstellungen, Entwicklungen und Erfolge des Kantons Aargau in den Jahren seit der Einführung der ILV nicht adäquat abgebildet werden. Von diesem Ausbau und dieser Stärkung des Aargauer Kulturangebots profitieren auch ausserkantonale Besuchende (unter anderem aus Zürich und Luzern). So beträgt beispielsweise der ausserkantonale Anteil der Besuchenden des Museums Aargau über 50 %. Hingegen beruht der jeweils errechnete jährliche Abgeltungsbeitrag zugunsten der Kantone Zürich und Luzern starr auf sechs definierten ILV-Kulturinstitutionen (Opernhaus Zürich, Tonhalle Zürich, Schauspielhaus Zürich, Kultur- und Kongresszentrum Luzern KKL, Luzerner Theater sowie Luzerner Sinfonieorchester).
Hochkultur oder Breitenkultur wie im Aargau?
Es handele sich dabei um Institutionen, welche vorwiegend der Hochkultur zuzuordnen sind. Damit könne auch dem veränderten Kulturverständnis sowie den kulturpolitischen Schwerpunktsetzungen im Kanton Aargau (verstärkter Fokus auf Breitenkultur anstelle von Hochkultur, Ausbau des Vermittlungsaspekts, Stärkung der Teilhabe der Bevölkerung) seit Einführung der ILV nicht Rechnung getragen werden. Unabhängig vom eingereichten Vorstoss fanden bereits in den vergangenen Jahren mit den ILVKantonen, speziell mit Zürich und Luzern, Verhandlungen zur Optimierung der ILV statt. Diese haben jedoch zu keinem zufriedenstellenden Resultat geführt, so der Regierungsrat weiter. Er ist deshalb der Ansicht, dass nach einer alternativen Lösung gesucht werden muss, wie der Kanton Aargau seinen Beitrag zu einem fairen Lastenausgleich im Bereich der Kultur leisten kann.
Es stehe ausser Frage, dass die Kantone Zürich und Luzern Zentrumsleistungen erbringen, welche auch von der Aargauer Bevölkerung genutzt werden, und die entsprechend abgegolten werden sollten. Der Regierungsrat hat sich deshalb dazu entschlossen, die ILV auf den nächstmöglichen Termin per Ende 2025 mit Wirkung auf Ende der Laufzeit der aktuellen Abgeltungsperiode 2025–2027 zu künden. Gleichzeitig sollen Verhandlungen mit den Kantonen Zürich und Luzern aufgenommen werden, um bis spätestens Ende 2027 bilaterale Vereinbarungen für eine jährliche pauschale Abgeltung der Kulturlasten der Kantone Zürich und Luzern abzuschliessen.
Vorgesehene Art der Umsetzung und geltende Frist
Die Umsetzung des vorliegenden Vorstosses würde die Prüfung des Treffens einer Massnahme konkret eine Kündigung der Interkantonalen Kulturlastenvereinbarung, bedingen. Da die Kündigung der angesprochenen interkantonalen Vereinbarung in der Kompetenz des Regierungsrats liegt und die Zeit für eine frist- und termingerechte Kündigung drängt, hat der Regierungsrat bereits beschlossen, die Kündigung per Ende 2025 vorzunehmen. Diese wird wirksam auf Ende der aktuellen Abgeltungsperiode 2025–2027, sprich ab dem 1. Januar 2028.