HEV-Präsidentin Glarner: "Diese Steuer-Abstimmung wollen wir gewinnen, sonst zahlen wir künftig alle viel höhere Steuern"

Der Hauseigentümerverband HEV Aargau führte in Aarau seine Jahresversammlung mit rund 180 Teilnehmenden durch. Dies in Anwesenheit prominenter Gäste, nämlich von Grossratspräsident Markus Gabriel, Landammann Dieter Egli, Ständerätin Marianne Binder, sowie von zahlreichen Grossrätinnen und Grossräten.
Ein besonderer Anziehungspunkt scheint die DV des HEV Aargau für ehemalige Grossratspräsidentinnen und -präsidenten aller Parteicouleurs zu sein. So entdeckte der Berichterstatter unter den Anwesenden sechs Ehemalige, nämlich Mirjam Kosch (Grüne, Grossratspräsidentin 2024), Lukas Pfisterer (FDP/2023), Pascal Furer (SVP/2021), Edith Saner (Die Mitte/2020), Herbert H. Scholl (FDP/2009) und Thomas Lüpold (SVP/2004).
In ihrer Begrüssung schwor Präsidentin Jeanine Glarner die Anwesenden auf zwei kommende Abstimmungen ein, nämlich auf die kantonale Steuervorlage vom 18. Mai und auf die nationale Vorlage zur Abschaffung des Eigenmietwerts im Herbst.
Eigentümer zahlen 190 Mio. mehr Steuern, 150 Mio. sollen an Bevölkerung zurück gehen
Man sei in einem "äusserst wichtigen Jahr für Hauseigentümerinnen und -eigentümer", sagte Glarner einleitend. Indem der Eigenmietwert auf 62 Prozent ansteigt und alle Liegenschaften neu geschätzt werden, steigen auch die Steuerwerte und in der Folge die Steuerrechnungen der Eigentümerinnen und Eigentümer. Sie werden dem Kanton rund 190 Mio. Franken zusätzliche Steuern abliefern. Über die Steuervorlage sollen immerhin 150 Mio. an die Bevölkerung zurückgehen, sagte Glarner weiter, ohne auf die (inzwischen vom Verwaltungsgericht abgewiesene) Klage der SP Aargau gegen die Abstimmungsbroschüre des Kantons einzugehen.
Die Vermögensfreigrenze wird mit der Vorlage angehoben, die Vermögenssteuertarife gesenkt. Zusätzlich sollen Familien durch höhere Kinderabzüge und höhere Kinderbetreuungsabzüge (bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie) entlastet werden. Glarner: "Diese Abstimmung wollen wir gewinnen, sonst zahlen wir künftig alle viel höhere Steuern."
Eigenmietwert: "Wer besser mobilisiert, wird gewinnen."
Ebenso wichtig sei die Abschaffung des Eigenmietwerts, über den Immobilien mit einem fiktiven Einkommen belastet werden. Das treffe Pensionierte mit tieferem Einkommen besonders stark, kritisierte Glarner. Die Zeit sei reif, den Eigenmietwert abzuschaffen. Glarner: "Es kann gelingen. Das wird aber nicht im Schlafwagen passieren. Wir müssen uns engagieren und NachbarEs Freunde, Bekannte, Familien überzeugen und an die Urne bringen." Für die HEV-Präsidentin ist klar: "Wer besser mobilisiert, wird gewinnen."
In seiner Grussadresse zog Grossratspräsident Markus Gabriel Vergleiche zwischen dem HEV und dem Grossen Rat. Beide engagierten sich für faire Rahmenbedingungen und befassten sich mit zentralen Fragen wie Raumplanung, Steuern, Bauvorschriften, Mietrecht und vielem mehr, sagte er. Dies verlange Sachlichkeit, Ausgewogenheit und Vernunft. Dass der HEV ein aktiver Mitgestalter ist, sei gut so.

Egli: "bin vielleicht sogar der einzige Mieter im ganzen Saal"
In seinem Grusswort schickte Landammann Dieter Egli, Vorsteher Departement Volkswirtschaft und Inneres, voraus, er sei Mieter, "vielleicht sogar der einzige im ganzen Saal». Mieter und Vermieter brauchen einander, sind aufeinander angewiesen, betonte er. Die einen brauchen Wohnungen, andere schaffen Wohnraum: "Das ist ein Geben und Nehmen." Wenn es etwas zu klären gibt, empfiehlt er, miteinander zu reden. Wenn man auf Maximalforderungen beharre und niemand bereit sei, eine Abmachung zu treffen und sie einzuhalten, dann werde der Staat gerufen. Der reguliere dann und kontrolliere auch.

"Ich habe noch keine Sekunde Lust verspürt, zu regulieren"
Er höre immer wieder, es gebe zu viele administrative Hürden. "Aber glauben Sie mir, ich habe noch keine Sekunde Lust verspürt, zu regulieren". Die Regierung tue das nicht, weil sie andern das Leben schwer machen wolle, sondern weil die Gesellschaft danach rufe und verschiedene Interessen aneinander vorbeigebracht werden sollen. Es gelte, schnell und unkompliziert Lösungen zu finden. "Darauf können Sie zählen". Der HEV sei ein wichtiger und verlässlicher Ansprechpartner.

Schliesslich stellte HEV-Geschäftsführer Fabian Schnell den Hauptreferenten des Abends vor: Jürg Müller, Direktor von Avenir Suisse, promovierter Ökonom und ehemaliger Wirtschaftsjournalist der NZZ.

Macht aus dem Staat Gurkensalat, forderten in den Achtzigern Linke auf den Strassen von Zürich. Mittlerweile klinge es ganz anders. Der Staat soll die 13. AHV-Rente finanzieren, bald auch eine 14., familienergänzende Familienbetreuung bezahlen, ebenso die Landwirtschaft. Solche Rufe kämen von Parteien von links bis rechts, meinte Müller, und leitete damit zu seinem Thema des Abends hin: "Gezähmtes Staatswachstum - Wie wir die Ausbreitung des staatlichen Fussabdrucks im Zaum halten können".
Jürg Müller: "komme nicht mit einer Kettensäge»
Um Missverständnis zum Vornherein zu verhindern, betonte er, er komme nicht mit einer Kettensäge: "Wir wollen den Staats keineswegs abschaffen." Den Staat brauche es für die innere und äussere Sicherheit. Zudem gebe es Marktversagen, etwa im Umweltbereich: "Da braucht es Regulierung." Drittens brauche es den Staat für das soziale Netz: "Wir wollen einen Staat, in dem niemand durch das soziale Netz fällt."

Er zeigte dann auf, wie die Staats- und Fiskalquote in den letzten Jahrzehnten angestiegen sind. Auch wenn die Schweiz noch nicht auf dem hohen europäischen Staatsquoten-Niveau sei, nähere sie sich ihm an. Die USA und Grossbritannien hätten diese Entwicklung allerdings nicht so mitgemacht. Nochmals anders sieht er die Entwicklung in Skandinavien: "Dort herrscht marktwirtschaftlicher Sozialismus, nicht soziale Marktwirtschaft."
Staat: grösstes Stellenwachstum auf Gemeindeebene
Eine Untersuchung zeige, dass die Beschäftigtenzahl seit 2011 in privaten Unternehmen um 12 % gestiegen ist, im staatlichen Sektor hingegen um 20 %. Das grösste Wachstum, "das hat uns überrascht", war bei den Gemeinden, erst dann kommen die Kantone, und schliesslich der Bund.

Was will Avenir Suisse? Etwa eine jährliche Löschwoche im Parlament
Müller listete schliesslich eine Reihe von Forderungen auf, damit "die Balance zwischen Staat und Privat noch irgendwie im Lot bleibt".
- Schuldenbremse bewahren, das sei essenziell, "um dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten".
- Er fordert auf Bundesebene die Einführung des Finanzreferendums. «Das würde eine gewisse Disziplin bringen.»
- Die "warme Progression" soll ausgeglichen werden: Was ist das? Wenn die Wirtschaft real wächst und alle reale Lohnsteigerungen haben, wachse die Steuerlast im heutigen Steuersystem überproportional, so Müller. Wenn die Gesellschaft produktiver wird, rutsche man in eine höhere Progressionsstufe. Es gebe jetzt einen Vorstoss auf Bundesebene, um das zu korrigieren. Er hofft, dass bald auch im aargauischen Grossen Rat so ein Vorstoss eingereicht wird.
- Externe Überprüfung des Staatswachstums einführen. Es brauche oft einen externen Blick. In Zürich habe ein Bericht Doppelspurigkeiten und Ineffizienz aufgezeigt, was allerdings keine Folgen hatte. Müller: "Es brauch natürlich den politischen Willen dazu."
- Temporäre Spitzen mit temporären Kräften abfedern.
- Benchmarking von Löhnen durchführen.
- Milizgedanken auf Verwaltungskarrieren anwenden. Vieles was der Staat macht, könnte man auch privat erbringen, so Müller. Man könne so auch reine Verwaltungskarrieren durchbrechen.
- Bei der Regulierung sei die One in, one out -Regel (auf deutsch: für ein neues Gesetz, soll ein anderes weg) anzuwenden.
- Eine "Löschwoche" einführen. Müller vergleicht das mit einem Frühlingsputz. Auf allen Ebenen sollen Bürger, Unternehmer und überhaupt alle Leute sehr kostspielige, einschneidende oder gar kontraproduktive administrative Hürden melden. Eine Kommission soll dann pro Jahr eine Sessionswoche für den Bürokratieabbau vorbereiten.
- In den Branchen Transparenz schaffen. Es fehle ein Überblick im Subventionsdschungel.
- Eine «Sunset»-Klausel für Subventionen, etwa dass man diese nach 5 Jahren wieder abschafft. Ihm sei bewusst, dass es schon solche Beschlüsse gibt und dann die Geltung immer wieder verlängert werde, etwa bei Innotour, einem Instrument des Bundes zur Tourismusförderung. Müller seufzend: "Bei Subventionen gibt es nichts Dauerhafteres als ein Provisorium." Trotzdem hofft er auf eine heilende Wirkung von "Sunset"-Klauseln. Für seinen Vortrag erntete Müller grossen Applaus, danach gings zum Apéro.