Hammerschlag: Mitte will Gewinnsteuersenkung auf 12 Prozent prüfen lassen - kann sie so SVP und FDP dazu bringen, Steuern für natürliche Personen nur um 5 statt 8 Prozent zu senken?

Hammerschlag: Mitte will Gewinnsteuersenkung auf 12 Prozent prüfen lassen - kann sie so SVP und FDP dazu bringen, Steuern für natürliche Personen nur um 5 statt 8 Prozent zu senken?
Fraktionspräsident Alfons Paul Kaufmann. Foto: Michael Küng

In einem Postulat, das die Mitte Fraktion (Sprecher) Alfons Paul Kaufmann, Mitte, an der Grossratsitzung vom 4. November einreichen wird, verlangt diese die Prüfung der Finanzierbarkeit einer deutlichen Senkung des Unternehmensgewinnsteuersatzes für alle Aargauer Unternehmen unter gleichzeitiger Einführung von Ergänzungsleistungen für einkommensschwache Familien.

Konkret will die Fraktion den Regierungsrat beauftragen,

1. zu prüfen, wie eine Senkung des Gewinnsteuersatzes für alle Unternehmen im Kanton Aar gau finanziert werden kann, sodass die steuerliche Gesamtbelastung maximal 12 % beträgt – mit dem Ziel, den Aargau unter die fünf attraktivsten Unternehmensstandorte der Schweiz zu bringen;

2. zu prüfen, ob für sehr hohe Unternehmensgewinne ein erhöhter Steuersatz eingeführt wer den kann, damit grosse Unternehmensgruppen möglichst die ordentliche Gewinnsteuer ent richten und nicht der Schweizerischen Ergänzungssteuer unterliegen;

3. eine steuer- und finanzpolitische Auslegeordnung vorzunehmen, unter Berücksichtigung des AFP 2026–2029 sowie weiterer relevanter Vorstösse mit finanziellen Auswirkungen;

4. zu prüfen, wie die Einführung von Ergänzungsleistungen für einkommensschwache Familien finanziert werden kann, insbesondere für alleinerziehende Eltern und Working-Poor-Fami lien, die bei bisherigen und geplanten Steuervorlagen nicht berücksichtigt wurden.

Wettbewerbsfähigkeit steigern

Die Fraktion begründet dies so: Attraktive Rahmenbedingungen für Unternehmen liegen im Interesse des gesamten Kantons. Sie schaffen Arbeitsplätze und generieren Wohlstand. Die Förderung der Standortattraktivität ist ein zentrales Ziel im Entwicklungsleitbild 2025–2034 des Regierungsrats. Die Steuerbelastung sei ein entscheidender Standortfaktor. Der Aargau habe sich im interkantonalen Wettbewerb verbessert, doch eine weitere Senkung des Unternehmenssteuersatzes würde die Wettbewerbsfähigkeit deutlich steigern – insbesondere auch für KMU.

Ziel sei es, den Aargau unter die Top Fünf der Schweiz zu bringen und damit international wie national auf die Shortlist zu setzen. Eine Senkung auf 12 % wäre jedoch mit erheblichen Steuerausfällen verbunden, die Kanton und Gemeinden zumindest vorübergehend belasten würden. Deshalb brauche es eine umfassende Prüfung der Finanzierbarkeit aus einer Gesamtsicht.

Der AFP 2026–2029 zeige, dass der Finanzhaushalt trotz solider Ausgangslage zunehmend unter Druck gerät, schreibt die Fraktion in ihrem Vorstoss. Temporäre Defizite seien dank Ausgleichsreserve verkraftbar, mittelfristig sei jedoch ein ausgeglichener Haushalt ohne Reserve anzustreben.

Weitere Belastungen für den Haushalt stehen an

In den nächsten Jahren stehen zudem hohe Investitionen an – insbesondere in Bildung und Sicherheit. Gleichzeitig drohen weitere Ertragsausfälle, etwa durch die Reform der Eigenmietwertbesteuerung oder eine mögliche Einführung der Individualbesteuerung, heisst es im Postulat weiter. Auch das Sparprogramm des Bundes werde den kantonalen Haushalt zusätzlich belasten.

Mitte will so zu hohe Senkung der Staatssteuer abwenden

Die Gemeinden erwarten Unterstützung bei der Pflegefinanzierung, der familienergänzenden Kinderbetreuung und der Einführung von Ergänzungsleistungen für einkommensschwache Familien. Eine pauschale Senkung des Steuerfusses – wie sie aktuell diskutiert wird – sei aus Sicht der Mitte nicht zielführend.

Sie stehe einer gezielten und effektiven Senkung des Unternehmenssteuersatzes im Weg. Zahlreiche finanzpolitisch relevante Vorstösse – etwa zur Nationalbank oder zur Aufhebung des Immobilienfinanzierungsmodells – gefährdeten den Handlungsspielraum des Kantons. Sie würden ge ielte Entlastungen für Wirtschaft, Gewerbe und Bevölkerung verunmöglichen und die Weiterentwicklung des Kantons behindern, heisst es weiter, und: "Selbst die Erfüllung zentraler Aufgaben wäre gefährdet."Politisch motivierte Schnellschüsse seien daher zu vermeiden.

Ergänzungsleistungen für einkommensschwache Familien?

Der Regierungsrat soll eine Auslegeordnung vornehmen, beantragt die Mitte, und aufzeigen, wie der finanzielle Hand lungsspielraum bestmöglich genutzt werden kann – unter Priorisierung der Anliegen und mit dem Ziel einer nachhaltigen Entwicklung des Kantons. Dabei sei auf eine ausgewogene Berücksichtigung von Wirtschaft und Bevölkerung zu achten. Im Rahmen dieser Prüfung soll auch die Einführung von Ergänzungsleistungen für einkommensschwache Familien berücksichtigt werden.

Eine Familie zu haben, dürfe kein Armutsrisiko darstellen. Studien zeigten, dass Kinder in Armut massiv in ihrer Entwicklung beeinträchtigt werden und ein Her auswachsen aus der Armut schwierig ist. Armut werde oft „vererbt“. Die Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK) empfehle die Einführung solcher Ergänzungsleistungen. Vier Kantone (Genf, Solothurn, Tessin, Waadt) haben sie bereits eingeführt. Im Kanton Freiburg hat das Stimmvolk am 22. September 2024 einem entsprechen den Gesetz zugestimmt.

Um die Steuerlücken bei Kanton und Gemeinden abzufedern und die Standortattraktivität zu stärken, soll eine gezielte Steuerfusssenkung von 5 % anstelle von 8 % angestrebt werden, so die Mitte mit Blick auf die Steuerdebatte am 18. und 25. November weiter. Und zum Schluss schreibt sie: "Die Mitte setzt künftig auf ein System der Steuerrückvergütung – sofern es die Kantonsfinanzen er lauben. Diese Rückvergütungen sollen jährlich durch den Grossen Rat beschlossen werden. Von einer Steuerfusssenkung profitieren alle Steuerpflichtigen. Bedürftige Familien gehen jedoch leer aus, da sie oft keine Steuern zahlen und somit auch keine Entlastung erfahren."