Grosser Rat: Standesinitiative für Ständemehr bei den Bilateralen III? - SVP-Forderung wird mit den Stimmen der FDP geprüft - Standortförderung: Regierung muss nachsitzen

Grosser Rat: Standesinitiative für Ständemehr bei den Bilateralen III? - SVP-Forderung  wird mit den Stimmen der FDP geprüft - Standortförderung: Regierung muss nachsitzen
68 : 66 Stimmen für Prüfung einer Standesinitiative. Den Ausschlag dazu gab überraschend die FDP-Fraktion. Damit vergeben man sich nichts, meinte Fraktionschef Silvan Hilfiker. Foto: MKU

Es ist 10 Uhr. Ratspräsident Markus Gabriel eröffnet die heutige Grossratssitzung in Aarau. Sie dauert von 10 bis 11.55 Uhr (damit die Grossrätinnen und Grossräte die Vorbeifahrt der Tour de Suisse miterleben können) und am Nachmittag von 14 bis 17 Uhr.

Es geht heute um spannende Themen: Zum einen um einen Vorstoss der SVP. Sie will eine Standesinitiative für das Ständemehr bei den Bilateralen III einreichen. Dann geht es um die Genehmigung der Rechnung des Jahres 2024, um das neue Prämienverbilligungsdekret, um "mehr Demokratie bei der Einführung von Tempo-30-Zonen", um das Erschweren taktischer Baueinsprachen und weiteres mehr.

Einbürgerungen

Einbürgerungen werden zustimmend zur Kenntnis genommen.

SVP-Vorstoss zu den Bilateralen III

Barbara Borer-Mathys stellt jetzt namens der SVP-Fraktion einen Antrag auf Direktbeschluss für ein Ständemehr zu den Bilateralen III: Die Verträge würden Auswirkungen auch auf den Kanton Aargau haben, sagt Borer-Mathys. Die Verträge gingen weiter als die bestehenden, macht sie geltend. Das Parlament hätte nachher weniger zu sagen, es wäre damit eine Einbusse an Souveränität verbunden. Dass der Bundesrat ein Ständemehr ausschliesst, habe viele vor den Kopf gestossen.

Im Falle der Erheblicherklärung hätte man sechs Monate Zeit für die Standesinitiative, sagt die Votantin weiter. Die neue Verträge würden Schweizer Recht brechen, sagt Borer-Mathys weiter, und fragt: "Was ist uns die Standesstimme wert?"

Nein sagen GLP, Die Mitte, EVP, Grüne, SP

Annetta Schuppisser (GLP) sagt, man lehne den Antrag ab. Für ein Ständemehr fehle die politische Erheblichkeit. Es gehe hier zudem um eine nationale Kompetenz. Es gebe klare Regeln auf Bundesebene. Die SVP versuche politische Blockadepolitik, wirft sie ihr vor.

Robert Weishaupt (Die Mitte) sagt, ein vergleichbarer Vorstoss sei in praktisch allen Kantonen eingebracht. Bisher seien sie abgelehnt worden. Eine Standesinitiative sei das falsche Instrument und auch das falsche Vorgehen. Diese sei für gesetzgeberische Anliegen vorgesehen. Die Standesinitiative verfehle formell und inhaltlich das Ziel, kritisiert Weishaupt. Die Mitte sagt einstimmig Nein.

Lutz Fischer (EVP). Namens seiner Fraktion sagt Fischer, man stehe der Standesinitiative grundsätzlich skeptisch gegenüber. Die Standesinitiative richte sich sogar gegen die Interessen des Aargaus. Ohne Ständemehr habe er nämlich mehr Einfluss als ohne.

Hannes Tobler kritisiert namens der Grünen "den Missbrauch der standesinitiative namens der SVP".

Stefan Dietrich sagt für die SP, er sei beeindruckt ob der vielen Sorgen der SVP um die direkte Demokratie, Es gehe aber nicht darum, sondern um Taktik, um Blockade. Es gehe um Europaverhinderung. Sie SVP rufe nach mehr Vetorecht für eine Mindesrheit, für die kleinen Kantone. Es sei wie im Turnverein, wo der Kassenwart sagt, neue Geräte gebe es nur, wenn auch der Turnverein des Nachbardorfes zustimmt. Ohne geregelte Verhältnisse zur EU würde man Schiffbruch erleiden, so Dietrich.

FDP: "Vergeben uns heute nichts, wenn wir Standesinitiative prüfen"

Als letzter spricht jetzt Silvan Hilfiker für die FDP. Die inhaltliche Auslegeordnung der SVP teile man nicht, sagt er. Der Bundesrat habe diesen Antrag provoziert. Ob es einen Direktbeschluss brauche, sei aber aus heutiger Sicht nicht erkennbar. Die FDP stimmt im Sinne eines Prüfungsauftrags zu. Bis dann wisse man mehr und könne dann entscheiden, ob es diese Initiative brauche oder nicht: "Wir vergeben uns heute nichts, wenn wir die Standesinitiative prüfen", sagt Hilfiker.

Der Rat erklärt den Antrag mit 68 : 66 Stimmen für erheblich.

Verpflichtungskredite und Nachtragskredite 2025 - Verpflichtungskredits für Standort- und Wirtschaftsförderung ist umstritten

Als nächstes geht es um Geschäfte des Departements Finanzen und Ressourcen (DFR). Als erstes geht es um eine Sammelvorlage für Verpflichtungskredite und Nachtragskredite 2025.

Arsène Perroud (SP) stellt die Kommissionsberatungen dazu vor:

Mit der Sammelvorlage 25.92 beantragt der Regierungsrat dem Grossen Rat vier neue Verpflichtungskredite mit einem einmaligen Bruttoaufwand von insgesamt 13,2 Millionen Franken und drei Zusatzkredite mit einem einmaligen Bruttoaufwand von 3,6 Millionen Franken. Die Vorlage betrifft Ausgaben in der Kompetenz des Grossen Rats, die keine Einzelvorlagen erfordern und keine Auswirkungen auf das Budget 2025 hat.

Ebenfalls wird ein budgetwirksamer Nachtragskredit mit einem Aufwand von 315’600 Franken im Aufgabenbereich 710 Rechtsprechung für die Personelle Verstärkung der Schlichtungsbehörden für Miete und Pacht beantragt.

Die Kommissionsmitglieder unterstützen die vom Regierungsrat beantragten Verpflichtungs- und Zusatz- sowie Nachtragskredite mit Ausnahme des Verpflichtungskredits für Standort- und Wirtschaftsförderung in Potenzialräumen des Departements Volkswirtschaft und Inneres (DVI).

Departement soll die verschiedenen Standortförderungsprojekte in einer Gesamtauslegeordnung einbringen

Zusammen mit der Kommission für Volkswirtschaft und Abgaben (VWA) beantragt die KAPF die Rückweisung des Kredits. Die beiden Kommissionen fordern vom DVI, die verschiedenen Standortförderungsprojekte in einer Gesamtauslegeordnung einzubringen. So sollen in der von den Kommissionen gewünschten Übersicht unter anderem auch die Bestrebungen zur Akquise ertragsstarker Unternehmen resp. der Beitritt zur Greater Zurich Area dargestellt werden. Wie mittlerweile bekannt ist, stimmt der Regierungsrat dem Rückweisungsantrag ebenfalls zu.

Sollte der Grosse Rat die Rückweisung nicht unterstützen, lehnt die KAPF den Verpflichtungskredit knapp mit 8:7 Stimmen ab.

Grundsätzliche Fragen zu Elektrifizierung von Busbetrieben

Zum Verpflichtungskredit zu AB 635 Verkehrsangebot Ladeinfrastruktur Elektrobus der Aargau Verkehr AG Zofingen wurden grundsätzliche Fragen über die Auswirkungen der Elektrifizierung der Busbetriebe diskutiert. Eine grosse Mehrheit stimmt dem Verpflichtungskredit für die Ladeinfrastruktur zu und erachtet den eingeschlagenen Weg und die Finanzierung des Kantons mit einem Investitionsbeitrag als richtig.

Die Debatte verläuft sinngemäss wie in den vorberatenden Kommissionen. Die Regierung ist mit dem Grossen Rat einverstanden beim Kredit für die Standort- und Wirtschaftsförderung. Der Rat weist diesen mit 106 : 18 zurück. Finanzdirektor Markus Dieth kündigt aufgrund der Kritik an, dass man dazu eine neue - gesamtheitliche - Vorlage ausarbeiten wird.

Debatte und Zustimmung zu Elektrobus-Ladeinfrastruktur

Diskussionen gab es im Rat auch um den Antrag "Aargau Verkehr AG Zofingen, Ladeinfrastruktur Elektrobus; Beitrag der Spezialfinanzierung öV Infrastruktur". Kritik gab es seitens der SVP, etwa zu den gesamtkosten, die nicht richtig ausgewiesen und unklar seien. Verkehrsdirektor Stephan Attiger erinnerte daran, dass der Grosse Rat der Regierung eine Kreditkompetenz gegeben hat. Verschiedene Vorlagen seien bereits gutgeheissen worden, etwa für RVBW, Postauto etc. Die Gesamtkosten des neuen Systems seien voraussichtlich etwa gleich hoch wie bei den heutigen Dieselbussen. Attiger bittet um Zustimmung.

So wird darüber separat abgestimmt: Der Rat stimmt dem Kredit mit 82 : 49 zu.

Alle anderen Anträge für Verpflichtungskredite werden vom Grossen Rat in globo einstimmig gutgeheissen.