Grossratsfraktionen der Mitte, GLP, EVP, Grünen und SP reagieren besorgt auf Ja zur Initiative "Arbeit muss sich lohnen"

Die Parteien Mitte, GLP, EVP, Grüne und SP des Kantons Aargau nehmen mit grosser Sorge den heutigen Entscheid des Grossen Rats zur Kenntnis, der die Volksinitiative "Arbeit muss sich lohnen" knapp befürwortet hat, wie sie gemeinsam mitteilen.

"Gemeinsam sprechen wir uns entschieden gegen die Forderungen der Initiative aus und werden im Abstimmungskampf mit vereinten Kräften für eine sozial gerechte und integrationsfördernde Sozialhilfe einstehen", schreiben sie.

"Kein neues Instrument – nur Symbolpolitik"

Die Initiative verlangt eine pauschale Kürzung des Grundbedarfs von mind. 5 %, sobald die Dauer des Sozialhilfebezugs ununterbrochen zwei Jahre beträgt, davon soll in acht definierten Ausnahmefällen abgesehen werden. Diese Forderung wiederhole bestehendes Recht: Denn schon heute können Sozialdienste den Grundbedarf um bis zu 30 % kürzen, wenn sich Betroffene nicht an Auflagen und Weisungen halten, schreiben die Fraktionen.

Der Regierungsrat habe in der Botschaft klar aufgezeigt, dass die Sozialhilfequote in Kanton Aargau seit 2018 deutlich sinkt, die Fallzahlen sind rückläufig und die Gesamtkosten sinken. Dies zeigt, dass die bestehenden Instrumente in der Sozialhilfe wirken, die Initiative sei damit überflüssig. Arbeit lohne sich bereits heute.

Sozialhilfe sichert bewusst nur das Existenzminimum

Wer arbeitet, habe in aller Regel ein höheres Einkommen als mit Sozialhilfe. Erwerbstätige profitierten zudem von beruflicher Entwicklung und sozialer Anerkennung. Die Sozialhilfe sei bewusst so ausgestaltet, dass sie das Existenzminimum sichert – nicht mehr. Damit bleibe der Anreiz zur Erwerbsarbeit erhalten. Stattdessen berge die Initiative die Gefahr, dass die Integration von Langzeitbeziehenden in den Arbeitsmarkt erschwert werde.

Denn pauschale Kürzungen könnten Existenzängste erzeugen, die Fortschritte verhindern und zur Resignation führen können.

"Mehr Bürokratie, höhere Kosten"

Die in der Initiative vorgesehenen Ausnahmefälle müssen individuell geprüft und dokumentiert werden. Das bedeute für die Gemeinden einen erheblichen Mehraufwand, verbunden mit steigenden Personalkosten. Der Verband der Aargauer Gemeindesozialdienste (VAGS) hat berechnet, dass die Initiative bei maximal 50 % der Langzeitbeziehenden eine Kürzung zur Folge haben könnte, was einer Einsparung von CHF 127'200 jährlich bedeuten würde. Demgegenüber stehen Kosten von CHF 448'140 als Initialaufwand für die Prüfung bestehender Dossiers und jährlich wiederkehrende Kosten von 21. Oktober 2025 CHF 224’070 für Folgeprüfungen.

Die Umsetzung der Initiative würde also eine teurere Verwaltung schaffen bei eher geringen Einsparungen, schreiben die Fraktionen weiter. Die Sozialhilfe würde sich dadurch insgesamt verteuern. Die pauschale Kürzung nach zwei Jahren sei willkürlich, da diese Dauer nicht sachlich begründet werden kann. Sie verletze rechtsstaatliche Prinzipien und ignoriere individuelle Lebenssituationen. Ebenfalls werde das Verhältnismässigkeitsprinzip untergraben – denn die Massnahme sei nicht geeignet, das Ziel der schnelleren Arbeitsintegration zu erreichen.

Appell an die Bevölkerung

SP, Grüne, GLP, EVP und Mitte-Fraktion appellieren an die Bevölkerung: "Die Sozialhilfe ist kein Privileg, sondern ein verfassungsmässig verankertes Recht auf Existenzsicherung. Sie ist so ausgestaltet, dass sich Arbeit bereits heute lohnt und die Integration in den Arbeitsmarkt und die Unabhängigkeit gefördert werden. Die Initiative "Arbeit muss sich lohnen" bringt nur mehr Bürokratie, sie ist der falsche Weg – wir sagen klar Nein."