Grossräte stellen Windturbinen im Aargau mit Vorstoss faktisch grundlegend in Frage

In einer Interpellation stellen die Grossräte Stefanie Köpfli, SVP, Arni (Sprecherin), Mario Gratwohl, SVP, Niederwil, Walter Stierli, SVP, Fischbach-Göslikon, Dr. Philipp Laube, Mitte, Lengnau, Adrian Meier, FDP, Menziken, dem Regierungsrat Fragen zum Mindestabstand von Windturbinen zu bewohnten Gebäuden.

Sie begründen ihren Vorstoss so: Im Wandel der nachhaltigen Energiestrategie seien immer mehr Windturbinenanlagen in Planung. In der Schweiz habe man bislang wenig Erfahrung mit Windenergie, insbesondere in der Umgebung von Siedlungsgebieten. In vielen Nachbarländern, welche auf mehr Erfahrung mit Windturbinenanlagen zurückgreifen können, wurden minimale Abstandsvorschriften der Windturbinenanlagen zu bewohnten Häusern, Gebäuden und Siedlungsgebieten festgelegt.

In Deutschland beispielsweise gilt häufig ein Mindestabstand von einem Kilometer, in einzelnen Bundesländern sogar das zehnfache der Höhe. Da die Schweiz und auch der Kanton Aargau in einem relativ windarmen Gebiet liegen (vgl. Agis Windenergiepotential-Karte), müssten sehr hohe Windturbinen gebaut werden, um – wenn überhaupt – von genügend Wind profitieren zu können, schreiben die Interpellanten.

Damit würden die Windturbinen zu den höchsten Baukörpern im ganzen Kanton zählen und alle vorhandenen Gebäude massiv übersteigen. Die immense Höhe solcher Anlagen (ca. 200 – 250 Meter, neuste Generationen sogar 300 Meter) hat massive Auswirkungen auf die Natur, das Landschaftsbild und den Lebensraum von Mensch und Tier.

Der Kanton Aargau habe die Aufgabe, für die Bevölkerung zu sorgen und diese zu schützen – auch vorbehaltslos vor allen externen Effekten von Windturbinenanlagen, die in Nachbarskantonen nahe an unserer Kantonsgrenze erbaut werden. Aktuell liegen verschiedene Pläne für Windturbinenparks in Nachbarskantonen vor, welche sich direkt im Grenzbereich zum Kanton Aargau befinden. Der Kanton Zürich plant beispielsweise fünf Windturbinen direkt entlang der Kantonsgrenze (Arni und Islisberg). Die Distanz zu dem nächstgelegenen bewohnten Gebäude bzw. Siedlungen sei im Kanton Aargau also frappant geringer als im Kanton Zürich.

Windturbinenanlagen: keine klare Regelung zum Schutz der Bevölkerung

Die Emissionen, heisst es im Vorstoss weiter, fallen somit fast ausschliesslich im Kanton Aargau an und der Nutzen komme einzig dem Kanton Zürich zugute. Für die Baubewilligung von nachhaltigen Wärmepumpen seien Lärmschutz- und Abstandsvorschriften genauestens reguliert und definiert. Nicht so bei Windturbinenanlagen, hier bestehe in der Schweiz und in den Kantonen bis heute keine vergleichbare, klare Regelung zum Schutz der Bevölkerung.

Für Windturbinenanlagen gelten aktuell lediglich die übergeordneten Vorgaben des Umweltschutzge setzes und der Lärmschutzverordnung. Dabei werden bei der Ermittlung der Lärmemissionen nicht die effektiv gemessenen Werte berücksichtigt, heisst es im Vorstoss weiter, "sondern eine Mittelung vorgenommen, welche somit auch windstille Perioden, in denen die Windturbine stillsteht, einfliessen lässt". Selbst bei Einhaltung der Grenzwerte dürften deshalb beim Betrieb, insbesondere in Phasen von überdurchschnittlichen Windstärken, deutlich stärker wahrnehmbare und nicht erfasste Störungen und Beeinträchtigungen auftreten, vermuten die Interpellanten.

Dies liege kaum im Interesse der Bevölkerung und könnte beispielsweise mit minimalen Abstandsvorschriften korrigiert werden, so ihre Position. Sie wollen folgendes wissen: Wie steht der Regierungsrat zu folgenden Themen:

1. Was ist der aktuelle Stand zum Mindestabstand von Windturbinenanlagen zu den nächsten bewohnten Gebäuden?

2. Wie wird sichergestellt, dass die nächsten bewohnten Gebäude vor Emissionen geschützt werden – auch über die Kantonsgrenze hinaus?

3. Wie werden die Stromerträge aufgeteilt bei Windturbinenanlagen, welche unmittelbar an der Kantonsgrenze erbaut werden?

4. Mit dem angesprochenen Projekt (Arni/Islisberg) dürfte auch der im Planungsperimeter liegende Wildkorridor tangiert werden. Inwiefern wird auf die Natur und den Naturschutz in den entsprechenden Gebieten Rücksicht genommen?

5. Wie werden an Windturbinenanlagen angrenzende Kantone entschädigt, wenn Sie durch den Betrieb von Windkraftanlagen von privat- oder öffentlich-rechtlichen Betreibern anfallende, externe Kosten tragen müssen?

6. Je nach Drehgeschwindigkeit der Rotorblätter verändert sich der Winkel der Rotoren (gesteuert aus der Gondel). Dies führt zu wechselndem Schattenwurf, der sich besonders während dem Sonnenauf- und Sonnenuntergang stark bemerkbar macht. Zudem resultieren häufig unange nehme stroboskopartige Effekte, da sich die Sonnenstrahlen an den drehenden Rotorblättern re flektieren. Wie steht der Regierungsrat dazu und wie kann dieser Effekt angemessen berücksich tigt werden?

7. Neben hörbarem Schall verursachen Windturbinen auch Infraschall. Bei Infraschall handelt es sich um Schall unterhalb der menschlichen Hörschwelle, also um Frequenzen unter etwa 20 Hertz. Dieser nicht hörbare Schall, kann je nach Intensität als Vibration oder Druckgefühl wahr genommen werden. Bei kurzzeitiger Exposition von Infraschall können bisher keine negativen Auswirkungen auf den menschlichen Körper nachgewiesen werden. Über die Auswirkungen von Infraschall bei langfristiger Exposition sind sich Experten uneinig, auch weil wissenschaftliche Nachweise über lange Zeiträume kaum möglich sind. Fakt ist, dass Infraschall Hauswände durchdringt und in der Nähe von Windturbinenanlagen auch innerhalb von Gebäuden messbar ist. In Dänemark, einem Vorreiter für Windenergie, gelten beispielsweise strenge Grenzwerte für Infraschall innerhalb von Gebäuden in der Umgebung von Windturbinenanlagen. Wie stellt sich der Kanton Aargau zu diesem Thema?

8. Um Einflüsse und Auswirkungen von Windturbinenanlagen in angrenzenden Nachbarskantonen berücksichtigen und darauf Einfluss nehmen zu können und die betroffene Aargauer Bevölkerung zu schützen, müssen diese den zuständigen Behörden bekannt sein. Es ist deshalb mittels einer interkantonalen Meldepflicht sicherzustellen, dass entsprechende Projekte von den betref fenden Baubewilligungsbehörden den benachbarten und dadurch tangierten Kantonen und Ge meinden angezeigt werden müssen. Wie stellt sich der Kanton Aargau zu diesem Thema?