Grosser Rat weist Gesetz zur Umsetzung der Amtsenthebungsinitiative an die Regierung zurück

Grosser Rat weist Gesetz zur Umsetzung der Amtsenthebungsinitiative an die Regierung zurück
Der Grosse Rat . Foto; MKU

Als nächstes geht es in Aarau um die Umsetzung der kantonalen Amtsenthebungsinitiative, die einst die BDP eingebracht hatte, und die vom Volk deutlich (84 % Ja) angenommen worden war.

Die Kommission AVW hat das Gesetz über die Umsetzung der Amtsenthebungsinitiative in seiner Sitzung vom 27. Mai zum zweiten Mal beraten, so Kommissionspräsident Hanspeter Hilfiker.

Die Vorlage geht auf die vom Aargauer Volk im Jahr 2022 angenommene Amtsenthebungsinitiative zurück. Die Vorlage ist als Sammelvorlage ausgestaltet und wurde bereits am 3. Dezember 2024 im Grossen Rat erstmals beraten. Dem Entwurf wurde damals mit 115 zu 16 Stimmen zugestimmt.

Im Rahmen der Erstberatung wurde im GVG eine massgebliche Änderung vorgenommen, wonach eine Amtseinstellung dann möglich sein soll, wenn eine Strafuntersuchung wegen einer Handlung eröffnet wird, die mit dem Amt eines Mitglieds des Grossen Rates nicht vereinbar ist. Diese Anpassung wurde sinngemäss auch im Organisationsgesetz, im Gemeindegesetz, im Schulgesetz und im Kulturgesetz vorgenommen.

Das antwortete die Regierung zu den drei Prüfungsanträgen

Im Rahmen der Erstberatung wurden schliesslich drei Prüfungsanträge gestellt, die der Regierungsrat mit der zweiten Vorlage beantwortet.

Der erste Prüfantrag sollte klären, so Hilfiker, ob im IDAG (Gesetz über die Information der Öffentlichkeit, den Datenschutz und das Archivwesen), Anpassungen zur Amtsenthebung und zur Amtseinstellung aufgrund von Straffällen vorzunehmen sind. Der Regierungsrat stimmt diesem Auftrag zu und schlägt eine Umsetzungsvariante vor.

Der zweite Prüfungsantrag sollte klären, ob eine alternative Formulierung möglich ist, wonach ein neu gewähltes Mitglied NACH Amtsantritt eine Meldung zu machen hat, wenn es VOR der Wahl zu einer entsprechenden Straftat kommt.

Der Regierungsrat schlägt hier vor, die in der ersten Lesung vorgeschlagene Variante beizubehalten. Er sieht keine sinnvolle alternative Formulierung.

Auch beim dritten Prüfungsantrag hält der Regierungsrat an seiner Formulierung aus der ersten Lesung fest: Es soll nicht nur über rechtskräftige Verurteilungen informiert werden, welche im Rahmen der Amtsenthebung relevant sein können, insbesondere weil diese Beurteilung nicht dem oder der Betroffenen selbst überlassen werden kann.

In der Folge wurden insbesondere die Erläuterungen zu den Prüfanträgen zwei und drei intensiv diskutiert.

Es kam bspw. die Frage auf, wer entscheidet, ob eine Straftat mit dem Amt eines Grossrats vereinbar ist. – In einem solchen Fall hat das Büro des Grossen Rates abzuwägen, ob Massnahmen erforderlich sind.

Diskutiert wurde in der Kommission – erneut – die Frage, ob der Einleitungsbeschluss des Grossen Rates mit einem qualifizierten Mehr zu fällen ist. Der Regierungsrat schlägt KEINE diesbezügliche Regelung vor. Er sieht den Einleitungsbeschluss beim Büro des Grossen Rates, die Amtsenthebung selbst dann mit einem qualifizierten Mehr im Grossen Rat. 

Schliesslich werden die Regelungen für die Gremien der Pensionskasse APK diskutiert. Aus der Kommission wird beantragt, für jene PK-Vorstandsmitglieder, die vom RR gewählt werden, dieselben Regeln gelten zu lassen. Der RR sieht bei einer derartigen Regelung die Gleichbehandlung der Vorstandsmitglieder gefährdet und schlägt KEINE entsprechende Regulieurung vor.

Schliesslich wird in der AVW-Sitzung über verschiedene Anträge abgestimmt:

Der Antrag, die Paragrafen zur Informationspflicht im Sinne einer Selbstanzeige zu streichen, im GVG handelt es sich um § 7c (neu) Abs. 2, analog sind die entsprechenden Paragrafen im Organisations-, Gemeinde, Schul-, Kulturgesetz und im IDAG umfasst, wird mit 9:5 Stimmen abgelehnt.

Das Antragspaket wird als Minderheitsanträge aufgeführt.

Der Antrag, den Einleitungsbeschluss einer Amtsenthebung oder eine Amtseinstellung im Büro des Grossen Rates mit einem Dreiviertel-Quorum zu fällen, und dafür §6 Abs. 1 lit v der Geschäftsordnung anzupassen, wird mit 7:6 Stimmen abgelehnt.

Auch der Antrag, neben den aufgeführten Gesetzen auch das Pensionskassendekret in die Regelungen einzubeziehen, wird mit 7:6 Stimmen abgelehnt.

Beide Anträge bleiben als Minderheitsanträge aufgeführt.

Die Schlussabstimmungen bringen folgende Resultate:

Der Antrag zum Entwurf des Gesetzes über die Umsetzung der Amtsenthebungsinitiative wird mit 14:0 Stimmen gutgeheissen.

Der Antrag zur Änderung des Dekrets über die Geschäftsführung des Grossen Rates wird mit 8:0 Stimmen bei 6 Enthaltungen ebenfalls gutgeheissen.

So kontrovers verläuft die Debatte

Für die FDP sagt erinnert ihr Sprecher daran, die Fraktion habe dem ersten Entwurf der Vorlage nicht zugestimmt. Sie bleibe dabei. Ganz anders sehen dies EVP und GLP. Sie wollen die Vorlage aus Respekt vor dem Volkswillen klar umsetzen. Für die SVP stellt Emanuel Suter den Antrag, das Geschäft zurückzuweisen und massiv zu entschlacken und auf absolute Ausnahmefälle zu reduzieren. Es sollen nur schwere Fälle gemeldet werden, sagt Suter.

Wieder anders sieht dies Ruth Müri (Grüne): Sie erinnert daran, dass nur wenige Volksinitiativen in den letzten Jahren angenommen wurden, nämlich lediglich vier. Die Amtsenthebungsinitiative ist eine davon. Diese setze ein klares Zeichen für politische Integrität. Auch Mitte-Sprecher Robert Weishaupt steht hinter der Vorlage. Er sagt, falls zu viele "unnütze" Minderheitsanträge durchkommen, behalte man sich vor, die Vorlage abzulehnen. Klar für die Umsetzung wie von der Regierung vorgeschlagen ist auch die SP, so Michael Wacker. Sollten ihr aber alle Zähne gezogen werden, werde auch die SP die Vorlage ablehnen.

Pause für Nachdenken und Verhandeln

Alfons Kaufmann (Mitte) stellt jetzt den Antrag für eine kurze Pause. Man habe einen sehr grossmehrheitlichen Auftrag der Bevölkerung umzusetzen. Der Rat macht 5 Minuten Pause. Vielleicht finden jetzt klärende Gespräche statt.

Markus Schneider (Mitte) findet es nach der kurzen Pause befremdend, dass in der zweiten Lesung ein Rückweisungsantrag kommt, der in der Kommission nicht diskutiert worden sei. Und das zu einem vom Volk mit 84 % der Stimmen erteilte Volksauftrag, so Schneider. Er lehnt Rückweisung ab.

Hanspeter Hilfiker bestätigt, deine Rückweisung sei in der Kommission nicht behandelt worden.

Landammann Dieter Egli dankt für die intensive Diskussion. Er sei schon etwas irritiert, dass man in der 2. Beratung so grundsätzliche Fragen nochmals aufwirft. Das Gesetz nur für absolute Ausnahmefälle? Doch um diese zu definieren, brauche man eine gewisse Regelungstiefe. Er bittet, die Vorlage nicht zurückzuweisen.

Jetzt wird abgestimmt. Der Rat weist die Vorlage mit 68 : 63 zurück.

"Vater" der Initiative frustriert ob Ergebnis der Debatte

Der "Vater" dieser Initiative, der frühere BDP-Nationalrat Bernhard Guhl, zeigt sich der Plattform aargauerpolitik.ch gegenüber frustriert über diesen Entscheid und den damit einhergehenden Zeitverlust für die Erarbeitung einer neuen Umsetzungsvorlage.