Grosser Rat - Dringlichkeit einer Motion zur PDAG wird klar abgelehnt - Rat will eine Standesinitiative zu pflegenden Angehörigen
Es ist 14 Uhr, die Nachmittagssitzung beginnt. Anwesend sind 133 (von 140) Ratsmitglieder.
Nun liegt eine dringliche Motion von SP und GLP vor. Manuela Ernst (GLP begründet die Dringlichkeit. Verlangt wird eine sofortige Anpassung der Richtlinie zur betäubungsmittelgestützten Substitutionsbehandlung bei Opiatabhängigkeit. Es gelte, weitere Todesfälle zu verhindern, heisst es mit Blick auf die Fraktionserklärungen vom Vormittag von GLP und SP zu Geschehnissen in der PDAG. Man habe man hier Rechtsunsicherheit. Das müsse man dringend überprüfen. Severin Lüscher (Grüne) unterstützt die Dringlichkeit, auch wenn man der Motion inhaltlich skeptisch gegenüberstehe.
FDP und SVP für Aufklärung, aber gegen Dringlichkeit der Motion
Tobias Hottiger (FDP) betont, es sei ein tragischer Fall, er stamme aber vom Februar. Man müsse rational entscheiden. Man könne nicht einer ganzen Klinik unseriöse Arbeit unterstellen. Die FDP lehnt Dringlichkeit ab. Miro Barp (SVP, dessen Arbeitgeber die PDAG ist, wie er offenlegt, sagt, Motionen seien aus Basis von Fakten "und nicht aufgrund von Gerüchten und Sensationspresse" zu entscheiden. Natürlich sei genau abzuklären, was vorgefallen ist. Falls etwas falsch lief, sei zu klären, ob es menschliches Versagen war, oder ob es an den Richtlinien lag. Es gehe um die Abklärung, ob die Richtlinien bundesrechtskonform sind, sfügt Manuela Ernst noch an.
Dringlichkeit braucht eine Zweidrittelsmehrheit, es braucht 90 Ja-Stimmen, die nicht erreicht werden.. Nur 41 stimmten für, 93 gegen Dringlichkeit.
Nach zwei Interpellationen wird ein Antrag auf Direktbeschluss der Fraktionen FDP (Sprecher Dr. Tobias Hottiger, Zofingen), Mitte und SVP behandelt. Sie verlangen eine Standesinitiative zur Einschränkung der Zulassung von pflegenden Angehörigen zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung.
Konkret soll der Kanton Aargau die Bundesversammlung mit einer Standesinitiative auffordern, die gesetzlichen Grundlagen so anzupassen, dass Organisationen der Krankenpflege und Hilfe zu Hause (Spitex) nur dann pflegende Angehörige zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung anstellen dürfen, wenn diese durch die Pflege einen tatsächlichen oder potenziellen Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit in relevantem Umfang hinnehmen müssen.
3 Fraktionen sorgen sich um Mitnahmeeffekte
Begründet wird die Forderung so: Aufgrund eines Bundesgerichtsurteils können Spitex-Organisationen pflegende Angehörige anstellen und die Leistungen zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) abrechnen. Es sei nachvollziehbar, argumentieren die drei Fraktionen, dass pflegende Angehörige, die zugunsten der Pflege auf eine tatsächliche oder potenzielle Erwerbstätigkeit verzichten, einen Lohn dafür erhalten. Allerdings gebe es auch Fälle von pflegenden Angehörigen, bei denen ein hohes Risiko für Mitnahmeeffekte besteht – insbesondere bei Personen ausserhalb des obligatorischen Erwerbsalters oder wenn nur kurzfristig bzw. geringfügige Pflege geleistet wird.
Regierungsrat: müssen Anliegen auf Bundesebene vortragen
Aus diesem Grund sei es sinnvoll, heisst es weiter, den Kreis der Personen, die als pflegende Angehörige angestellt werden können, einzuschränken. In seiner Stellungnahme zu einer Motion der Fraktionen FDP, Mitte und SVP betreffend Anstellung von pflegenden Angehörigen führt der Regierungsrat aus, dass die verlangte Vorschrift, wonach Spitex-Organisationen nur noch pflegende Angehörige anstellen dürfen, die zugunsten der Pflege auf eine Erwerbstätigkeit verzichten, keine bundesrechtskonforme Voraussetzung zur Zulassung zulasten der OPK darstellt. Der Regierungsrat legt dar, dass er das Anliegen im Fall einer Überweisung der Motion deshalb auf Bundesebene einbringen müsste. In diesem Kontext erscheint es folgerichtig, so SVP/EDU, FDP und Mitte weiter, "die Bundesversammlung mittels einer Standesinitiative aufzufordern, in dieser Angelegenheit tätig zu werden".
Severin Lüscher (Grüne) spricht sich gegen den Vorstoss aus, damit beschäftige man sich nur selber. Es fehlten bald zahllose Pflegefachkräfte: "Das ist doch der Elefant im Raum." Zu diesem Thema wimmle es überdies auf nationaler Ebene bereits an Vorstössen.
Der Rat heisst den Antrag auf Direktbeschluss mit 99 : 32 Stimmen als erheblich erklärt. Die zuständige Kommission muss jetzt ein entsprechendes Papier ausarbeiten und dem Rat bis in vier Monaten vorlegen.