Grosser Rat unterstützt mit Stimmen von SVP/EDU und FDP die Initiative "Blitzerabzocke stoppen!"

Grosser Rat unterstützt mit Stimmen von SVP/EDU und FDP die Initiative "Blitzerabzocke stoppen!"
Die Abstimmung verläuft zwischen SVP/EDU und FDP (grün) und Mitte, GLP, EVP, Grünen und SP (rot). Foto: MKU

Am 18. September 2024 wurde die aargauische Volksinitiative "Blitzerabzocke stoppen!" mit 3'074 gültigen Unterschriften eingereicht. Sie fordert eine Bewilligungspflicht für stationäre Geschwindigkeits- und Rotlichtüberwachungsanlagen sowie eine zeitliche Beschränkung des Einsatzes von semistationären Geschwindigkeits- und Rotlichtüberwachungsanlagen. Der Regierungsrat beantragt, die Initiative für gültig zu erklären. Gleichzeitig empfiehlt er sie zur Annahme. Die von den Initiantinnen und Initianten vorgeschlagenen Anpassungen gegenüber dieser Botschaft erweisen sich aus Sicht des Regierungsrats als vertretbar.

Die Initiative fordert, was der Regierungsrat im Rahmen der letzten Polizeigesetzrevision vorgeschlagen hatte, erläutert nun Kommissionspräsidentin Nicole Heggli-Boder. Dieser Vorschlag wiederum fusste auf einer Motion, gemäss welcher die stationären automatischen Verkehrsüberwachsungsanlagen (AVÜ) verboten werden sollten. Diese Motion wurde als Postulat überwiesen. Im Rahmen der Polizeigesetzrevision schlug der Regierungsrat kein totales Verbot vor, sondern eine Bewilligungspflicht durch den Regierungsrat. Dies wurde vom Grossen Rat abgelehnt. Nun liegt eine Volksinitiative mit demselben Anliegen vor.

Minderheit der Kommission sieht Initiative als systemfremd

Die  Kommission SIK erkennt einstimmig, so Heggli-Boder,dass die Initiative materiell und formell korrekt ist. In der Debatte wurden Stimmen laut, dass die Initiative in die Gemeindeautonomie eingreife. Aufgrund des Entscheides, am dualen Polizeisystem festzuhalten, erachtet eine Minderheit der Kommission diese Initiative somit als systemfremd. Sie stört sich auch daran, dass man mit dieser Initiative den Parlamentsentscheid anlässlich der letzten Polizeigesetzrevision untergräbt.

Auch die maximale Dauer von 72 Stunden für semistationäre Anlagen am selben Standort wurden kontrovers auf ihre Wirksamkeit diskutiert. Ebenso die Bewilligungspflicht für stationäre Anlagen. Hier erwartet eine Minderheit neue und unnötige Bürokratie während eine Mehrheit darauf hinweist, dass die stationäre Anlage in Baden gemäss Antwort auf eine Interpellation keine Sicherheit bieten, da die Unfallzahlen seither gestiegen sind.

Mehrheit der Kommission Anliegen der Initianten positiv

Eine Mehrheit der Kommission sieht dem Anliegen der Initianten positiv entgegen und befürwortet den Sicherheitsaspekt, zieht diesen aber der puren Geldeintreibung vor.

Die Kommission SIK empfiehlt dem Parlament, die vorliegende Initiative als gültig zu erklären und sie  dem Volk zur Annahme zu empfehlen, so Heggli-Boder abschliessend.

GLP, SP, Mitte, EVP und Grüne klar gegen, FDP und SVP/EDU für die Initiative

Die Initiative sei populistisch, betreibe Täterschutz und greife in die Gemeindeautonomie ein, sagt jetzt Lukas Huber namens der GLP. Die GLP lehnt den Vorstoss klar ab. Für die SP unterstützt Lelia Hunziker diese Sichtweise. Dass Liberale nach "mehr Bürokratie schreien", versteht sie nicht. Geschwindigkeitskontrollen bzw. Blitzer brauche es für die Sicherheit. Nun spricht Simon Binder für Die Mitte. Eine Bewilligungspflicht sei unnötig, so Binder. Es gebe keine Notwendigkeit für eine kantonale Regelung dazu, so eine wären unverhältnismässig. Es könne keine rede von einer Flut neuer Anlagen sein. Für die Grünen erläutert nun Maurus Kaufmann ihr Nein: "Nur wer gegen die Verkehrsregeln verstösst, hat sich vor Blitzern zu fürchten", sagt er. "Wir haben die Schnauze einfach voll", schimpft nun Harry Lütolf (Mitte) als Einzelvotant. Immer, immer wieder komme man mit demselben Thema. Es gehe doch nur darum, die Raser zu schützen, so Lütolfs Vorwurf.

Nobert Stichert für die FDP verteidigt die Initiative. Es gehe um eine Bewilligungspflicht. Das Anliegen sei absolut berechtigt. In einem Rechtsstaat müssten staatliche Kontrolle begründet werden und verhältnismässig sein. Ein Blitzer müsse der Verkehrssicherheit dienen. Vor dem Blitzer habe es dort 3, nachher im selben Zeitraum 7 Unfälle ereignet. Die FDP unterstützt die Initiative. Für die SVP spricht sich auch René Bodmer für die Initiative aus. Es gebe keineswegs darum, Straftäter zu schützen, sondern einheitliche, legitimierte Regeln für alle einzuführen, so Bodmer. Die Gemeindeautonomie werde dadurch nicht geritzt, künftig bräuchten sie einfach eine Bewilligung für eine stationäre Radaranlage. Auch gebe es mobile Blitzer und semistationäre Möglichkeiten. Letzteres mache auch Sinn, denn bald wüssten alle um diesen Standort. Schliesslich spricht sich auch Tim Voser (FDP) namens der Initianten für die Initiative aus. Das Verhältnismässigkeitsprinzip sei fundamental. Das Bürokratieargument sei ein Scheinargument.

Das sagt der Badener Stadtammann

Für die betroffene Gemeinde spricht nun Stadtammann Markus Schneider (Mitte). Er verteidigt den Blitzer an der Gstühlkreuzung in Baden. Von 2021 bis 2024 habe die Zahl der Rotlichtverstösse deutlich abgenommen. Wenn man einer Gemeinde eine Aufgabe gebe, müsse sie diese auch umsetzen können. Wer meine, mit der Initiative verstosse man nicht gegen die Gemeindeautonomie, der verschliesse die Augen, so Schneider.

Nun spricht als letzter Landammann Dieter Egli, er vertritt die Haltung der Regierung in aller Kürze.

Der Rat heisst nun die Initiative mit 72 : 65 Stimmen gut. SVP/EDU und FDP stimmten geschlossen Ja.

Revision Polizeigesetz gutgeheissen

Nächstes Geschäft ist die Revision des Polizeigesetzes.

Kommissionspräsidentin Nicole Heggli-Boder erläutert dazu, dass am 12. Dezember 2023 die zweite Beratung der Polizeigesetzrevision im Plenum erfolgte. Der Grosse Rat hat damals entschieden, aufgrund diverser rechtlicher Unsicherheiten, § 36b Abs. 2 lit. a einer dritten Beratung zu unterziehen. Der Regierungsrat hat wiederum entschieden, das Urteil des Bundesgerichts zum Polizeigesetz im Kanton Luzern abzuwarten, weil diesbezüglich ein Zusammenhang besteht.

Dieses fiel relativ deutlich aus. Das Bundesgericht sagt ziemlich klar, sp Heggli-Boderder Grundrechtseingriff dieses Scannings sei ohne Auftrag und flächendeckend grundsätzlich nicht möglich. Der Passus bezüglich der Ermittlung von Verbrechen und Vergehen bezieht sich gemäss Bundesgericht auf eine strafprozessuale Aktivität, welche in der Strafprozessordnung auf Bundesebene und nicht in einem kantonalen Polizeigesetz geregelt werden muss. Der Regierungsrat sieht keine Möglichkeit, § 36b Abs. 2 lit. a bis  rechtskonform umzusetzen. Die AFV-Systeme dürfen nur eingesetzt werden, wenn es um konkrete Fahndungsaufträge geht.

Die Kommission SIK anerkenne die Rechtsprechung und beschliesst einstimmig, der vorliegenden Änderung des Gesetzes über die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit (Polizeigesetz; PolG) zuzustimmen, so Heggli-Boder abschleissend.

Im Rat gibt es dazu keine Diskussion, die Vorlage wird gutgeheissen.