Grosser Rat Aargau tagt ab 10 Uhr - SVP-Protest gegen Regierung wegen Bilateralen III - Rat heisst 18 Mio. für Programm Natur 2030 gut

Geschätzte Leserinnen und Leser
Seit 10 Uhr berichten wir wieder über die Verhandlungen des Grossen Rates in Aarau. Aus Terminkollisionsgründen können wir heute leider nur bis am Mittag live berichten. Danke für Ihr Verständnis.
Es ist 10 Uhr. Ratspräsident Markus Gabriel eröffnet die heutige 17. Sitzung der Legislaturperiode mit heute 21 Traktanden. Gabriel gratuliert als erstes Grossrat Stefan Giezendanner (SVP) zum Geburtstag. Anwesend sind zu Sitzungsbeginn 131 von 140 Grossrätinnen und Grossräten.
SVP-Fraktionserklärung
Nun kommt es zu einer Fraktionserklärung der SVP: Barbara Borer-Mathys zeigt sich namens der Draktion befremdet über die Mitteilung der Regierung zu den Bilateralen III zuhanden der KdK. Es befremdet sie, dass die Regierung ein Kantonsreferendum ablehnt, während im Rat eine Kommission just ein Standesreferendum vorbereitet. Die SVP behält sich deshalb vor, in der Budgetdebatte die gelder für die KsK zu streichen,
Als erstes wird Irina Bannwart als Mitglied des Erziehungsrates in Pflicht genommen, ebenso Andreas Zürcher als Oberrichter.
Erstes grosses materielles Geschäft ist das Programm Natur 2030.
Darum geht es: Das Programm Natur 2030 ist laut Regierungsbotschaft ein Eckpfeiler der kantonalen Natur- und Landschaftsschutzpolitik. Es dient dem Vollzug von Aufgaben zum Schutz der Landschaft, zur Sicherung, Aufwertung und Vernetzung von Lebensräumen und zur gezielten Förderung von Arten. Es handele sich dabei um Aufgaben, die der Bund dem Kanton übertragen hat, und die er gestützt auf die Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung (NFA) mitfinanziert.
Die Schwerpunkte des Programms Natur 2030 orientieren sich einerseits an den Vorgaben und Prioritäten des Bundes im Rahmen der NFA-Programmvereinbarungen 2020–2024 beziehungsweise 2025–2028, andererseits enthalten sie Umsetzungsmassnahmen zur Zielerreichung der kantonalen Entwicklungsschwerpunkte "Biodiversität und Ökologische Infrastruktur (625E009)" sowie "Klimaschutz und Klimaanpassung (600E003)".
Die Umsetzung des Programms Natur 2030 soll mit folgenden sechs Handlungsfeldern erfolgen:
I. Der Landschaft Sorge tragen
II. Kernlebensräume schützen, aufwerten und ergänzen
III. Die funktionale Vernetzung der Lebensräume sicherstellen
IV. Prioritäre und gefährdete Arten gezielt fördern
V. Kooperationen im Dialog mit Partnern stärken
VI. Menschen an Natur und Landschaft teilhaben lassen
Die einzelnen Handlungsfelder leisten einen Beitrag an die Stärkung der Ökologischen Infrastruktur und tragen damit zur langfristigen Sicherung der Biodiversität und ihrer Ökosystemleistungen für die Menschen im Kanton Aargau bei. Der vom Grossen Rat für die 1. Etappe (2021–2025) des Programms Natur 2030 bewilligte Verpflichtungskredit läuft am 31. Dezember 2025 aus. Für die 2. Etappe (2026–2030) des Programms Natur 2030 wird ein Verpflichtungskredit für einen einmaligen Bruttoaufwand von 18 Millionen Franken für fünf Jahre beantragt.
Der beantragte Verpflichtungskredit dient als wesentlicher Bestandteil der NFA-Programmvereinbarungen 2025–2028 mit dem Bund im Umweltbereich. Die vorliegende Botschaft beschreibt kurz die Ausgangslage und den Handlungsbedarf, verweist auf die Handlungsfelder und Ziele und zeigt den Kreditbedarf für die 2. Etappe (2026–2030) des Programms Natur 2030 auf. Für vertiefte Ausführungen ebenso wie für die detaillierte Zwischenbilanz zur 1. Etappe (2021–2025) wird auf die Beilage zur Botschaft verwiesen.
Für die vorberatende Kommission spricht Kommissionspräsident Jonas Fricker (Grüne). Die Kommission stimmt dem Geschäft zu, es gibt aber auch einen Minderheitsantrag. Umstritten ist folgender Regierungsantrag: Für das Programm Natur 2030, 2. Etappe (2026–2030) wird ein Verpflichtungskredit für einen einmaligen Bruttoaufwand von 18 Millionen Franken (Produktionskostenindex des Schweizerischen Baumeisterverbands, Bausparte 10: Fluss- und Bachverbau, Stand Januar 2023) beschlossen. Der Kantonsanteil beträgt maximal 13,5 Millionen Franken (netto). Der Verpflichtungskredit passt sich um die indexbedingten Mehr- und Minderaufwendungen an.
Der Minderheitsantrag der SVP lautet so: Für das Programm Natur 2030, 2. Etappe (2026–2030) wird ein Verpflichtungskredit für einen einmaligen Bruttoaufwand von 18 Millionen Franken (Produktionskostenindex des Schweizerischen Baumeisterverbands, Bausparte 10: Fluss- und Bachverbau, Stand Januar 2023) beschlossen. Der Kantonsanteil beträgt maximal 11,5 Millionen Franken (netto). Der Verpflichtungskredit passt s
"Wir schwimmen wie gegen eine zu stark eingestellte Gegenstromanlage"
Leandra Knecht (GLP) sagt in der Eintretensdebatte, dass die Ansprüche der Bevölkerung an die Umwelt steigen. Die laufenden Massnahmen reichten nicht aus, sagt Knecht. Zumal der Bund seine Beiträge reduziert. Es komme ihr vor, als wenn wir gegen eine Gegenstromanlage schwimmen, die zu stark eingestellt ist, sagt sie.
Auch Christian Minder (EVP) betont, dass der Raum knapp wird. Die EVP unterstützt die Vorlage. Wichtig sei künftig vorab die Vernetzung der Lebensräume.
"... dann ist der ganzes Kanton Aargau in 100 Jahren unter Naturschutz"
Walter Stierli (SVP) sagt namens seiner Fraktion, dass bei der ersten Etappe die Ziele mehr als erreicht worden seien. da der Bund seinen Anteil halbiert, müsse der Kanton seinen massiv erhöhen. Die SVP will nun, dass der Kanton 2 Mio. weniger ausgibt bzw. diese 2 Mio. von anderen Programmen zu nehmen. "Wenn wir so weitermachen, ist der ganzes Kanton Aargau in 100 jahren unter Naturschutz." das wäre dann ein ökonomischer und ökologischer Unsinn, so Stierli.
Johannes Jenny (FDP): Was hier vorliege, sei nicht "nice to have" sondern gewissermassen ein integraler Bestandteil des seinerzeitigen Plans Wahlen (im 2. Weltkrieg). 2022 sei der Selbstversorgungsgrad der Schweiz gegenüber dem Vorjahr um 1 Prozent gewachsen, gibt Jenny zu bedenken. Beim Artenschutz sei die Bilanz leider katastrophal. Jenny: "Es kann nur teurer werden, wenn wir jetzt sparen." Er wäre schon glücklich, wenn wir den Artenschwund bremsen könnten. Die FDP stimme zu.
Gabi Lauper Richner (SP): Auch die SP ist mit der Vorlage einverstanden. Sie stimmt dem beantragten Kredit zu. Das Programm sei wichtig, so Lauper Richner, "um die in den letzten Jahrzehnten entstandenen Defizite in der Biodiversität zu beheben". Sie verweist lobend auf lokale Förderungsprogramme.
Thomas Baumann (Grüne): Auch die Grünen treten auf das Geschäft ein und unterstützen den Regierungsantrag. Es sei richtig, das Programm fortzuführen. Das Geld sei in Biodiversität gut investiert. Das Paket sei ausgewogen. Zwar sterben auch im Aargau weiter Arten aus. Man könnte deshalb 20, 25 oder gar 30 Mio. fordern. Sie könnten sinnvoll eingesetzt werden: "Aber angesichts der politischen Verhältnisse verpufft eine solche Forderung."
Philipp Laube (Mitte) spricht als letzter Fraktionsvertreter. Auch Die Mitte stimmt zu. Der ungleichen Entwicklung in Kulturland/Siedlungsgebiet sollte Rechnung getragen werden, fordert Laube. das vorliegende Programm sei sinnvoll und ausgewogen. Es sollen aber keine zusätzlichen Landwirtschaftsflächen beansprucht werden, so Laube.
Als Einzelvotant spricht Matthias Betsche (GLP). Auch er bittet um Zustimmung für das Programm. Eigentlich bräuchte es ja mehr Mittel, sie reichten nicht, seien aber immerhin ein Schritt in die richtige Richtung, sagt der Geschäftsführer von pro natura Aargau. Die Liste gefährdeter Arten sei lang. Er listet mehrere Arten auf, deren Rückgang im Aargau eklatant ist.
Nach ihm spricht Hanspeter Suter (SVP). Alle wollen artenreiche Wiesen, sagt er. Er wolle aber nicht, dass fast die Hälfte der geplanten 18 Mio. für Studien etc. in der Bürokratie verschwinde. Er fürchtet, dass jeder zweite Franken in Schreibtische, Sitzungen und Papiere gehe und nicht in die Natur. Er empfiehlt Ablehnung. Das Programm sei ja "wie die Grippe. Es kommt wieder, aber mit weniger Bürokratie und mehr Wirkung für die Natur".
Das sagt Umweltdirektor Stephan Attiger
Nun spricht Umweltminister Stephan Attiger: Das Risiko bestehe, dass der Bund seine Mitfinanzierung zurückschrauben, bestätigt er. Es wäre aber falsch, wenn die Kantone hier schon vorsorglich sparen, mahnt er. Der Antrag sei fair. Man habe den Auftrag, Fruchtfolgeflächen zu schonen, "das werden wir auch künftig machen". Die Vorlage zeige klar auf, was genau geplant ist. Es gehe um den ökologischen Ausgleich, er bittet um Zustimmung zum Antrag der Regierung.
Jetzt wird abgestimmt: Der Regierungsantrag obsiegt gegen den Kürzungsantrag der SVP mit 84 : 47. Nun geht es um den Bruttoaufwand von 18 Mio. Franken, wobei der Kantonsanteil maximal 13,5 Mio. Franken ausmacht. Der Rat stimmt der Vorlage zu mit 84 : 46 Stimmen.