Beat Flach: Energie-Contracting im Rechtsvakuum - das sagt der Bundesrat dazu
Der Aargauer Nationalrat Beat Flach (GLP) hat im Mai eine Interpellation eingereicht. Nun liegt die Stellungnahme des Bundesrates vor.
In seinem Vorstoss bat Beat Flach den Bundesrat aufzuzeigen, wie mit einer Anpassung des ZGB (z.B. Art. 676 [Leitungen] oder 677 [Fahrnisbauten]) das Eigentum von Investoren im Contracting von Energieerzeugungsanlagen und weiteren Infrastrukturanlagen eindeutig festgelegt werden könnte. Gegebenenfalls seien andere gesetzliche Anpassungen aufzuzeigen, mit denen Rechtssicherheit für Contractoren geschaffen werden kann.
Contracting-Modelle gewinnen rasch an Bedeutung bei Energieproduktionsanlagen (z.B. Photovoltaikanlagen). Der Contractor erstellt die Anlage auf einem fremden Grundstück und bleibt während einer mit dem Grundbesitzer vereinbarten Frist in deren Besitz, während der er auch für den Absatz der produzierten Energie sorgt. In diesen Fällen ist es insbesondere der Wunsch des Gebäudeeigentümer, mit dem Betrieb und dem Eigentum der Energieerzeugungsanlage nichts zu tun zu haben, da er nicht der Spezialist für derartige Anlagen ist. Energie-Contracting fördert die Energiewende, denn so können beispielsweise Gebäude oder Grundstücke genutzt werden, deren Besitzer nicht selbst investieren wollen, was typischerweise bei grossen Projekten der Fall ist.
Doch die Interpretation des Akzessionsprinzips durch verschiedene Auslegungen schafft in letzter Zeit grosse Unsicherheiten. So könnte z.B. im Falle eines Konkurses des Grundbesitzers die Abgrenzung des Contracting-Objekts – je nach Art des Objektes (z.B. bei PV-Anlagen: Aufdachanlage, Freiflächenanlage, Indachanlage) - nicht sichergestellt sein. Diese Unsicherheit betrifft heute bereits tausende von Energie-Contracting-Anlagen. Im Weiteren wirkt sich diese Unsicherheit auch auf Versicherungs- und Steueraspekte aus. So betrachten gewisse Gebäudeversicherer eine Contracting-Anlage als Teil des Gebäudes, so dass diese vom Eigentümer des Gebäudes versichert werden muss; andere Gebäudeversicherer versichern Contracting-Anlagen nicht, da diese, wie im privatwirtschaftlichen Vertrag vereinbart, Eigentum des Contractors ist.
Damit das nützliche Instrument des Energie-Contractings weiter und vermehrt genutzt werden kann, braucht es eine Anpassung des Akzessionsprinzips in diesem Bereich. Die bisherigen Abklärungen zeigen, dass dazu eine Präzisierung der oben genannten Artikel im ZGB die erforderliche Rechtssicherheit schaffen würde. Zu prüfen wäre auch eine Erweiterung des Eigentumsvorbehalts gemäss Artikel 715 ZGB auf unbewegliche Sachen.
Das antwortet der Bundesrat
Die Eigentumsverhältnisse beim Energie-Contracting wurden schon mehrfach thematisiert, so auch im Bericht des Bundesrates vom 19. Juni 2020 «Steuerliche und weitere Massnahmen zur Förderung der Kreislaufwirtschaft» (abrufbar auf www.parlament.ch unter der Geschäftsnummer 17.3505).
Aktuell gilt es bezüglich Akzessionsprinzip bei Energieproduktionsanlagen lat Bundesrat drei Konstellationen zu differenzieren: Erstens kann bei direkt und dauerhaft im Boden installierten Anlagen zugunsten des «Contractor» eine Baurechtsdienstbarkeit im Grundbuch eingetragen werden (Art. 675 u. 779 ff. ZGB). Es besteht somit in dieser Konstellation bereits mit den geltenden Rechtsgrundlagen die Möglichkeit, dass der «Contractor» das Eigentum – in Durchbrechung des Akzessionsprinzips – an der Anlage behält.
Zweitens bestehe bei Anlagen, die auf einem Gebäude installiert sind, aber über eine gewisse strukturelle, ökonomische und funktionelle Unabhängigkeit verfügen und ohne Zerstörung des Gebäudes entfernbar sind (z.B. Aufdachanlage), derzeit in mehreren Kantonen ebenfalls die Möglichkeit, diese im Baurecht zu errichten. Bei der dritten Kategorie der vollständig in das Gebäude integrierte Anlagen (z.B. Indachanlage, fassadenintegrierte Anlage) besteht dagegen aktuell keine Möglichkeit, das Eigentum beim «Contractor» zu belassen.
De lege ferenda wäre grundsätzlich eine Regelung denkbar, wonach für auf Gebäuden installierte Anlagen mit einer gewissen strukturellen, ökonomischen und funktionellen Unabhängigkeit eine Baurechtsdienstbarkeit zugunsten des «Contractor» errichtet werden kann. Damit würde die in mehreren Kantonen bereits praktizierte, teils aber nicht unumstrittene Lösung, bundesrechtlich verankert und Rechtssicherheit geschaffen, so der Bundesrat weiter. Geprüft werden könnten für solche Anlagen allenfalls auch weitere in der Lehre diskutierte Lösungen (z.B. Dienstbarkeit über die Aneignung und Ableitung von Sonnenenergie, analog zum Quellenrecht.
Wenig zielführend erscheint dagegen eine Durchbrechung des Akzessionsprinzips für baulich voll integrierte Anlagen. Infolge sich potenziell widerstreitender Interessen von Gebäudeeigentümer und «Contractor» in Bezug auf dieselbe «Sache» (z.B. Dach) ginge dies mit praktisch unlösbaren Problemen einher.
Nicht zweckmässig erscheinen dem Bundesrat sodann die in der Interpellation angesprochenen Anpassungen in Bezug auf Fahrnisbauten oder den Eigentumsvorbehalt. Ob eine Energieproduktionsanlage als Fahrnisbaute qualifiziert werden kann, hängt im Wesentlichen davon ab, wie stark diese mit dem Gebäude bzw. dem Boden verbunden ist; namentlich wenn sie – was regelmässig der Fall ist – für längere Zeit installiert wird, kann eine Energieproduktionsanlage de lege lata nicht als Fahrnisbaute gelten (vgl. Art. 677 u. 713 f. ZGB). Wollte man de lege ferenda Energieproduktionsanlagen pauschal als Fahrnisbauten deklarieren, wäre das inhaltlich falsch und würde den Begrifflichkeiten und der Systematik des ZGB widersprechen – weil materiell unbewegliche Sachen im ZGB als beweglich deklariert würden. Soweit aber Energieproduktionsanlagen auch als unbewegliche Sachen zu qualifizieren sind, wäre auch eine Spezialregelung zum Eigentumsvorbehalt sachfremd. Der Eintrag des Eigentumsvorbehalts in das Register bezweckt, den Verkäufer einer beweglichen Sache vor einem Verlustrisiko zu schützen. Dies vor dem Hintergrund, dass das Eigentum an beweglichen Sachen (ohne Eintrag im Eigentumsvorbehaltsregister) grundsätzlich schon mit der Übertragung des Besitzes auf den Erwerber übergeht. Bei unbeweglichen Sachen setzt der Eigentumsübergang dagegen grundsätzlich eine Anpassung im Grundbuch voraus. Damit ist auch sichergestellt, dass die Eigentumsverhältnisse an unbeweglichen Sachen für jedermann erkenntlich sind. Vor diesem Hintergrund ist der Eigentumsvorbehalt nicht auf unbewegliche Sachen übertragbar.
Soweit die Interpellation nach anderen gesetzlichen Anpassungen fragt, mit denen Rechtssicherheit für «Contractor» geschaffen werden kann, ist auf eine vom Bund in Auftrag gegebene Studie von 2022 (BSS, Registerlösung zur Stärkung nutzenbasierter Geschäftsmodelle [Energie-Contracting] durch Einführung eines neuen gesetzlichen Grundpfandrechts. Regulierungsfolgenabschätzung, abrufbar unter: www.seco.admin.ch > Publikationen & Dienstleistungen > Publikationen > Regulierung > Regulierungsfolgenabschätzung > Vertiefte RFA > Registerlösung zur Stärkung nutzenbasierter Geschäftsmodelle beim Grundeigentum [2022]) zu verweisen. Diese ortet die Herausforderung für «Contractor» beim Energie-Contracting primär in der fehlenden dinglichen Absicherung der Investitionen (S. 26) und weniger im allfälligen Verlust der Anlage. Nach einer gewissen Zeit fehlt oft das Interesse, diese zurückzunehmen. Die Studie schlägt daher die Schaffung eines mittelbaren gesetzlichen Grundpfandrechts zugunsten der «Contractor» vor (S. 35 ff.). Diese Lösung würde auch Energieproduktionsanlagen abdecken, die baulich vollintegriert sind (z. B. Heizungssysteme).
Generell ist sodann zu bedenken, dass sachenrechtliche Spezialregelungen für Energieproduktionsanlagen (z.B. Baurecht, neues gesetzliches Grundpfandrecht) dem Umweltschutz dienen und damit öffentliche Interessen verfolgen. Besteht hier das Interesse an einer weitergehenden Regulierung, wäre deshalb zu prüfen, ob sie nicht eher im öffentlichen Recht, etwa im Energiegesetz (SR 730.0), als im ZGB verankert werden. Denn das ZGB beinhaltet allgemeine sachenrechtliche Vorschriften zur Regelung des Privateigentums unabhängig von spezifischen Kontexten und Bedürfnissen. Unbesehen davon bedürfte jegliche Anpassung der gesetzlichen Grundlagen weiterer Abklärungen.