Aargau hat im Kantonsvergleich zweittiefste Hausarztdichte
Der regierungsrat hat eine Interpellation zut Stärkung der medizinischen Grundversorgung im Kanton Aargau beantwortet. Eingereicht worden war diese von Vertretern aus den Parteien FDP, SP, Grüne und GLP, nämlich von Dr. Tobias Hottiger, FDP, Zofingen (Sprecher), Dr. Severin Lüscher, Grüne, Schöftland, Dr. Lucia Engeli, SP, Unterentfelden (alle drei sind Äerzte bzw. Engeli ist Ärztin), sowie Hans-Peter Budmiger, GLP,
Der Regierungsrat antwortet auf die Frage, ob er die Einschätzung teile, dass es im Kanton Aargau eine Stärkung der Grundversorgung braucht und Randregionen unterversorgt sind, wiefolgt? Ihm sei es ein grosses Anliegen, dass das Gesundheitssystem funktional und qualitativ hochstehend ist, schreibt er. Die medizinische Grundversorgung sei dafür von grosser Bedeutung.
Aargau hat im kantonalen Vergleich am zweitwenigsten Hausärzte
Die Hausarztdichte variiert von Kanton zu Kanton und im Stadt-Land-Vergleich stark. In städtischen Gebieten gibt es eine höhere Dichte von Grundversorgern (1 pro 1'000 Einwohner) als in intermediären1 (0,7 pro 1'000 Einwohner) und ländlichen Gebieten (0,4 pro 1'000 Einwohner). Am höchsten war sie Ende 2021 im Kanton Genf (1,2 pro 1'000 Einwohner), am niedrigsten im Kanton Obwalden (0,55 pro 1'000 Einwohner). Der Kanton Aargau erreicht mit 0,57 ärztlichen Vollzeitäquivalenten pro 1'000 Einwohnerinnen und Einwohnern den zweittiefsten Wert im interkantonalen Vergleich.
Die Grundversorgung ist ein wichtiges Ziel in der Gesundheitspolitischen Gesamtplanung (GGpl) 2030. Sie hält die Vorhaben des Regierungsrats im Bereich der ambulanten Versorgung fest. Um dem Versorgungsengpass in den Bereichen Hausarztmedizin sowie Kinder- und Jugendpsychiatrie entgegenzuwirken, beabsichtigt der Regierungsrat bestehende Projekte weiterzuführen und zu intensivieren. Zudem möchte er neue Anreize für die Förderung der Weiterbildung und der Niederlassung innerhalb des Kantons schaffen.
Regierung plant Analyse der ärztlichen Versorgungssituation
Um ein klares Bild über die Verfügbarkeit, Qualität und Zugänglichkeit von medizinischen Leistungen in den verschiedenen Regionen des Kantons zu schaffen, plant der Regierungsrat eine Analyse der ärztlichen Versorgungssituation und die umfassende Betrachtung verschiedener Faktoren und Datenquellen. Ausserdem soll im Rahmen des Ziels der GGpl einer Sicherstellung einer nachhaltigen Gesundheitsversorgung durch gezielte Förderung von Fachkräften eine nachhaltige Gesundheitsversorgung gewährleistet werden, indem der Kanton Fachkräfte gezielt fördert, Anreize für Aus- und Weiterbildung schafft und die Niederlassung im Kanton unterstützt.
Der Kanton und der Aargauische Ärzteverband (AAV) haben bereits 2008 das erste Projekt zur Förderung der Grundversorgung ins Leben gerufen ("Praxisassistenz in Grundversorgerpraxen"). Assistenzärztinnen und Assistenzärzte können sechs bis zwölf Monate ihrer Weiterbildungszeit in Praxen für Allgemeine Innere sowie Kinder- und Jugendmedizin absolvieren. Der Kanton leistete dabei einen Finanzierungsbeitrag an die Lehrpraxen. Im Jahr 2012 hat der AAV mit den Kantonsspitälern zur Implementierung des Projekts das Aargauer Curriculum für Hausarztmedizin mit zwei Hausarzt-Mentoren an der Kantonsspital Aarau AG (KSA) und der Kantonsspital Baden AG (KSB) gegründet.
Durch die Praxisassistenzen sowie das Aargauer Curriculum ergibt sich die Möglichkeit, den Spitalärztinnen und Spitalärzten die Hausarztmedizin bekannt zu machen. Die Hausarzt-Mentoren agieren als wichtige Rollenmodelle.
Praxisassistenzen nehmen leicht zu
Die anfängliche Zahl von jährlich rund 18–23 Praxisassistenzen konnte kontinuierlich gesteigert werden. Im Jahr 2023 befanden sich 32 Assistentsärztinnen und Assistenzärzte in einer vom Kanton mitfinanzierten Praxisassistenz (Fr. 50'000.– pro halbes Jahr und Stelle). Nebst der Praxisassistenz in Hausarzt- und Kinderarztpraxen können seit der Gründung des Aargauer Curriculums im Jahr 2012 Klinik-Rotationsstellen in Spezialfächern wie Dermatologie, Rheumatologie oder Pädiatrie angeboten werden.
Am 29. November 2023 beschloss der Regierungsrat, wie er auf die Interpellation weiter antwortet, "die Weiterbildung von angehende Hausärztinnen und Hausärzten im Rahmen des Hausarztcurriculums mit Fr. 30'000.– pro Stelle und Jahr mitzufinanzieren". Seit dem 1. Januar 2025 ist der Kantonsbeitrag neu Fr. 60'000.–, also doppelt so hoch.
Der Kanton Aargau sei bestrebt die Grundversorgung im ganzen Kantonsgebiet zu stärken, betont die Regierung. Bisher benötigten die Gesuchsteller für eine kantonal mitfinanzierte Praxisassistenz einen Anstellungsvertrag an einem kantonalen Spital. Damit künftig eine Finanzierung auch unabhängig von einer Spitalanstellung möglich ist, hat der Verband Haus- und Kinderärzte Aargau (mfe) beim Departement Gesundheit und Soziales Ende 2022 das Pilotprojekt "Praxisassistenz Plus" eingereicht. Das Departement Gesundheit und Soziales hat das Projekt gutgeheissen.
KSA und KSB: zwei neue Kinderarztmentoren-Stellen
Zudem gibt es im KSA und KSB neu zwei Kinderarztmentoren-Stellen zu einem Pensum von je 20 %. Zusätzlich läuft im Bezirk Muri (der Bezirk mit der tiefsten Hausärztedichte) das Pilotprojekt "Interprofessionelle Hausarztpraxis Muri Plus". Der Regierungsrat sprach dem Projekt im Februar 2023 1,46 Millionen Franken zu.
Die Tariffestsetzung unterliegt einer Vielzahl unterschiedlicher Einflüsse, so dass es sehr schwierig ist, sie zur Erreichung bestimmter einzelner Ziele einzusetzen. Betreffend Überleitung aus der aktuellen Tarifstruktur TARMED in die künftige Struktur TARDOC (und ambulante Pauschalen) sei davon auszugehen, heisst es weiter, dass den Kantonen eine untergeordnete Rolle zukommen wird und sie deshalb geringe Einflussmöglichkeiten haben werden.
Vorgabe ein Eingriff in die Kompetenz der Kantone?
In einer weiteren Frage wollten die Interpellanten und die Interpellantin folgendes wissen: "Der Bundesrat verlangt, dass die Taxpunktwerte bei Inkraftsetzung von TARDOC unverändert bleiben. Wertet der Regierungsrat diese Vorgabe als einen Eingriff in die Kompetenz der Kantone und inwiefern sieht er Handlungsspielraum, um trotzdem noch den Taxpunktwert nach eigenem Ermessen festzusetzen, falls sich die Tarifpartner nicht einigen können?"
Die Regierung antwortet darauf, grundsätzlich steuere der Bund die Krankenversicherung mit dem Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG). Den Kantonen kommen vor allem Vollzugsaufgaben zu. Ihre Autonomie sei daher beschränkt. Für die Tariffestsetzung seien in erster Linie die Leistungserbringer und die Versicherer durch Abschluss entsprechender Verträge verantwortlich. Die Kantone träten nur subsidiär an ihre Stelle, wenn die Tarifparteien sich nicht einigen können.
Bei der Festlegung der Tarife sei eine Reihe von Vorgaben zu beachten, die das Ermessen der Kantone erheblich einschränken. Insbesondere müssen Tarife betriebswirtschaftlich bemessen werden und sich an denjenigen Leistungserbringern orientieren, welche die entsprechende Leistung gut und günstig erbringen. Es sei daher nur in einem sehr bescheidenen Rahmen möglich, die Tarifsetzung gezielt als Instrument für bestimmte Zwecke, wie insbesondere die Förderung der Versorgung in bestimmten Regionen, einzusetzen.
Differenzierte Taxpunktwerte, um die medizinische Grundversorgung in der Peripherie zu fördern?
Im Kanton Bern gab es im Rahmen eines Pilotprojekts vor ca. 15 Jahren differenzierte Taxpunktwerte, um die medizinische Grundversorgung in der Peripherie zu fördern. Wie wäre im Kanton Aargau eine gezielte Förderung von Fachdisziplinen und Regionen mit starker Unterversorgung durch höhere Taxpunktwerte nach der Einführung von TARDOC möglich? Gibt es nach Ansicht des Regierungsrates aktuell rechtliche Hürden, die eine solche gezielte Förderung im Grundsatz verunmöglichen? Das wollen die Interpellanten zusätzlich wissen.
Dazu antwortet die Regierung: Mit regional oder fachlich differenzierten Tarifen beträte der Kanton Aargau eine wenig erforschte rechtliche Grauzone. Auch wenn keine auf den ersten Blick offensichtliche Verbotsnorm besteht, sprechen gewichtige rechtliche Argumente gegen differenzierte Tarife: So wäre etwa fraglich, ob regional differenzierte Ansätze – insbesondere höhere für Randregionen als für die Zentren – mit dem Gebot wirtschaftlicher und günstiger Tarife vereinbar wären.
In der Regel werde es sich kaum so verhalten, dass in Randregionen die Kosten der Leistungserbringung höher sind, sondern eher umgekehrt. Darauf weise insbesondere die Tatsache hin, dass in den überwiegend ländlich geprägten Kantonen der Deutschschweiz für die frei praktizierende Ärzteschaft ein vergleichsweise tiefer Taxpunktwert gilt. Bei unterschiedlichen Tarifen für die einzelnen Fachrichtungen würde sich vor allem die Frage stellen, ob der Kanton dadurch unbefugt in die Tarifstruktur (TARMED beziehungsweise ab 1. Januar 2026 TARDOC und ambulante Pauschalen) eingreift, antwortet die Regierung abschliessend.