Jeanine Glarner: Hauseigentümer machen beim Energie-Absenkpfad ihren Job

Jeanine Glarner: Hauseigentümer machen beim Energie-Absenkpfad ihren Job
HEV-Präsidentin Jeanine Glarner kritisiert zum Eigenmietwertentscheid den Schwenker der Grünliberalen. Foto: MKU

Jeanine Glarner, Präsidentin des Hauseigentümer Verband (HEV) Aargau, konnte im Kultur- und Kongresszentrum in Aarau zahlreiche Mitglieder zur Jahresversammlung begrüssen. Für die Eigentümerinnen und Eigentümer ist natürlich der Entscheid des Grossen Rates vom März, auf Antrag der Regierung den Eigenmietwert (EMW) von 60 auf 62 Prozent anzuheben, ein gewichtiges Thema.

Die Vorlage sei auf einen Gerichtsentscheid zurückzuführen gewesen (das Verfahren war vom Mieterverband angestrengt worden), wonach der EMW mindestens 60 Prozent der Marktmiete betragen müsse, rief Glarner einleitend in Erinnerung.

In erster Lesung sei es bei den 60 Prozent geblieben, so Glarner, "doch in der zweiten Lesung schwenkten die Grünliberalen um und stimmten mit Mitte, SP, Grünen und EVP für 62 Prozent". Glarner: "Das kostet die Eigentümer weitere 18 Millionen Franken". Auch das Schätzungswesen wird neu organisiert. "Da die letzte offizielle Neubewertung 1998 war, können Sie sich ja vorstellen, was dies für die Vermögenswerte Ihrer Liegenschaften und damit für die Steuern bedeutet".

"Lösung für Rückgabe an Eigentümer noch verbesserungsfähig"

Immerhin hätten sich die bürgerlichen Parteien soweit eingebracht, dass bei der nächsten Steuergesetzrevision diese Mehreinnahmen des Staates von weit über 100 Millionen Franken an die Wohneigentümerinnen und -eigentümer zurückzugeben seien. Die Instrumente dafür stimmen aus ihrer Sicht "allerdings noch nicht voll und ganz". Bisher profitierten die Eigentümerinnen zuwenig. Das sei verbesserungsfähig. Sie sei aber überzeugt, so Glarner weiter, "dass wir das in der zweiten Lesung verbessern können".

Eben habe der Grosse Rat das neue Energiegesetz gutgeheissen. Zusammen hätten Mitte, FDP, SVP sowie AIHK, AGV und HEV einen Kompromiss gefunden, so Glarner weiter. Für sie sei klar gewesen, dass man einem Energiegesetz mit Zwang zur Eigenproduktion und ohne Härtefall für den Heizungsersatz nicht zustimmen könne. Glarner zusammenfassend: "Mit dem neuen Gesetz können wir leben, obwohl das bestehende Gesetz verschärft worden ist".

In Bezug auf die Entwicklung des Energieverbrauchs rief Glarner in den gut besetzten Saal, erschreckend finde sie, dass in der Energiedebatte Statistiken des eigenen Kantons "konsequent ignoriert werden". Die Hauseigentümerinnen und -eigentümer seien nicht das Problem, sondern die Lösung.: "Wir unterschreiten den Absenkpfad zur Reduktion des Energieverbrauchs sogar deutlich."

Reduktionsziel bis 2022 bereits deutlich übertroffen

Im Jahr 2022 sei der Energieverbrauch gegenüber dem Jahr 2000 um 36 Prozent gesunken. Das Reduktionsziel von 16 Prozent übertreffe man damit bei weitem. "Hauseigentümer machen ihren Job", sagte Glarner. Wenn man Erdgas und Heizöl zusammen nehme, dann sei das Minus gar bei es 55 Prozent. Somit habe man das Minus von 53 Prozent bis ins Jahr 2050 bereits Ende 2022 erreicht. Allerdings gebe es in der Politik mehr Meinungen und wenig Fakten: „Wir machen unseren Job, weil wir uns unserer Verantwortung bewusst sind.“

Glarner schloss ihr Votum mit dem Aufruf, eigentumsfreundliche Parteien zu  wählen, sodass "Rotgrün eine deutliche Minderheit wird".

Kosch: "Wie komme ich in Aarau zu einem Haus?"

Das sorgte für Heiterkeit im Saal, war dies doch die Überleitung zur nächsten Rednerin, Grossratspräsidentin Mirjam Kosch (Grüne). Sie nahm es mit Humor und stellte den Anwesenden die rhetorische Frage: "Wie komme ich in Aarau zu einem Haus?" Sie, als überzeugte Mieterin, verdiene gut, so Kosch, "aber nicht so gut". Als Grossratspräsidentin besitze sie zwar kein Haus, sei aber doch ein Jahr Präsidentin "an einer der besten Adressen im Kanton".

Sie war gespannt wie alle anderen auch auf das kommende Referat von René Scheu, das mehr Fakten und weniger Meinungen versprach. Alle bringen unterschiedliche Erfahrungen ein, als Eigentümer, als Mieter, gab Kosch zu bedenken. Sie wünscht sich ebenfalls einen Meinungsaustausch basierend auf Fakten. Dann gehe es natürlich auch um die Gewichtung der Fakten.

Energiedirektor: Im Winter auf Stromimport angewiesen

Zuvor aber sprach Bau- und Energiedirektor Stephan Attiger, der sich als HEV-Mitglied erklärte. Er erinnerte daran, dass die Schweiz und der Aargau im Winter keine Strommangellage hatten. Ist das Problem vorbei, fragte er rhetorisch? Wir hatten einen überdurchschnittlich warmen und nassen (gibt viel Wasserkraft) Winter, brauchten weniger Energie fürs Heizen, gab er die Antwort gleich selbst. Auch Frankreich brauchte weniger Strom. Im Winter seien wir jedoch auf Import angewiesen, das habe auch letzten und diesen Winter stattgefunden.

Immerhin: die Gasspeicher waren fast voll, es gab Flüssiggas, "wir brauchten das Reservekraftwerk in Birr nicht, es entstehen aber grosse Lücken, wenn die Kernkraftwerke dereinst vom Netz gehen", mahnte Attiger.

In zwei Jahren um die Grösse von Aarau gewachsen

Es sei die Rede von Wohnungsnot, so Attiger jetzt als Baudirektor. Wohnraum sei begrenzt verfügbar. Seit 2016 gehe der Wohnungsbau zurück, die aktuellen Zinsen und die enorme Bauteuerung führten nicht zu einer Zunahme der Bautätigkeit. Doch noch vor drei Jahren habe es Kritik an "Geistersiedlungen im Aargau" gegeben. Die Leerwohnungsziffer sei nicht dramatisch, aber regional sehr unterschiedlich. Attiger erinnerte daran, "dass der Aargau in den letzten zwei Jahren um die Grösse von Aarau wuchs, weil der Aargau attraktiv ist".

Er begrüsst den runden Tisch von Bundesrat Guy Parmelin, und den Massnahmenplan zur Förderung der Wohnbautätigkeit. Bauen auf der grünen Wiese sei aber schwieriger geworden, es gebe mehr Verfahren. Attiger forderte: "Wir müssen die Verfahren beschleunigen, und die Herausforderung der Innenverdichtung angehen".

René Scheu: "Mehr Fakten, weniger Meinungen"

Schliesslich bekam Gastredner René Scheu das Wort zum Thema „Mehr Fakten, weniger Meinungen, unbotmässige Gedanken zur heutigen Schweiz". Scheu war von 2016 bis 2021 Feuilletonchef der NZZ. Jetzt ist er Geschäftsführer des IWP Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik an der Universität Luzern. Auch er erklärte sich (im Kanton Zürich) als HEV-Mitglied, er sei also "mit unserer eigentumsfeindlichen Zeit bestens vertraut".

Um mehr über die Ungleichheit in der Schweiz zu erfahren, reiche es nicht, Leute zu beobachten und zu befragen. Scheu: "Man erfährt so bloss, was die Leute über Ungleichheit denken. Man braucht also Daten, etwa diejenigen der Steuerbehörden. Sie erlauben uns, Ungleichheiten zu begreifen".

Scheu ging in vertieft auf zwei regelmässig durch die Medien gehende Aussagen ein. Die eine lautet, die Schere zwischen arm und reich gehe immer weiter auseinander. Die andere, der Staat werde kaputtgespart, das reichste Land der Welt habe ein kaltes Herz.

Noch 2009 habe sich die Schweiz als Mittelstandsnation wahrgenommen, doch inzwischen werde die Verteilung als ungleich gesehen, "obwohl das nicht den Tatsachen entspricht", so Scheu. Anhand der Steuerdaten zeigte er auf, wie viel Steuern aus den höchsten und aus hohen Haushaltseinkommen resultieren. Die Einkommensverteilung in den letzten 90 Jahren sei recht stabil, so Scheu anhand von Steuerdaten von 2020 zurückgehend bis 1917. Dies zeige, dass sich die Schere in der Schweiz nicht geöffnet habe.

Scheu: "Von Kaputtsparen keine Spur"

Beim Thema "Staat kaputtsparen" machte er gleich klar: "Die Staatsausgaben wachsen zuverlässig Jahr für Jahr." Es sei auch nicht dasselbe, wenn die Ausgaben weniger oder weniger mehr als im Vorjahr wachsen. Scheu: "Die Staatsausgaben haben sich seit 1990 real beinahe verdoppelt." Seit 1990 sei der Staat real pro Jahr über 2 % gewachsen, und damit schneller als die Bevölkerung und die Wirtschaft.

Der Bundeshaushalt beträgt inzwischen 80 Milliarden Franken, der Anteil der sozialen Wohlfahrt beträgt 27 Milliarden Franken. Das sei fast eine Verdreifachung in den letzten 30 Jahren. Scheus Fazit: «Von Kaputtsparen keine Spur.» Auch gehe die Schere nicht auseinander. Warum behaupten es trotzdem die meisten Medien, wenn es nachweislich nicht stimme?, so Scheus rhetorische Frage an die Zuhörerinnen und Zuhörer. Seine Antwort: «Weil sie sich an den Mainstream halten. Da hat man moralisch recht, auch wenn man falsch liegt. Der Mainstream ist stark. Wer sich gegen ihn stellt, macht sich das Leben schwer."